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Ich erzähle eine soziologische Gegebenheit im Bereich der Kommunikation mit Männern. Es handelt sich dabei um das Gefängnis von Marseille (meine Heimatstadt), das in der Welt eine einmalige Besonderheit hat.  

 

Das Marseiller Gefängnis heißt „Les Baumettes“ und hat  im laufen der Zeit das Glück gehabt zu einem einigermaßen gut situierten alten Marseiller Stadtviertel zu gehören. Es steht nämlich ganz nahe am Meer auf den Weg zu hübschen „Calanques“ (die kleinen Mittelmeerbuchten). Bei dem Quadratmeterpreis in Meeresnähe brauche ich Euch nicht zu erzählen, was uns eine Zelle von 2 x 3 m für 6 Personen an Steuergeld kostet. Aber das ist nicht die einmalige Besonderheit des Marseiller Gefängnisses.

 

Es ist ein imposantes, massives und beeindruckendes Gebäude, im Vordergrund einer kahlen Hügel-landschaft in der prallen Sonne stehend, mit alles was zu einem ordentlichen Gefängnis  sich gehört:  hohen Mauern,  Stacheldraht  zwei  und dreimal,  Wachtürmen, Scheinwerfern, Bazookas... Seit ein

 

paar Jahren soll sogar ein Netz über dem Hof angebracht worden sein, seitdem eine Frau per Hubschrauber ihren Mann dort abgeholt hat. Aber das ist auch nicht die einmalige Besonderheit des Marseiller Gefängnisses.

 

Der kleine Hügel direkt gegenüber des Gefängnisses ist bebaut mit netten alten Villen, mit hübschen Gärtchen, Blumen, Palmen, Verandas, Pergolas, Sonnen-schirmen, also alles, was man haben muss, um stolz und zufrieden mit seinem Leben zu sein. Der Kontrast mit dem Gegenüber ist also sehr kontrastiert. Aber das ist auch nicht die einmalige Besonderheit des Marseiller Gefängnisses.

 

Die einmalige Besonderheit des Marseiller Gefängnisses, das sind die Frauen der Gefangene. Die Mütter, die Ehefrauen, die Freundinnen, die Schwester, die Tanten, die Töchter, die Omis, die Kusinen. Ihr könnt Euch bestimmt nicht vorstellen, was sie erfunden haben, man muss schon dafür Marseiller sein. Sie sind offensichtlich nicht genug vom Himmel bestraft worden, solche Männer zu haben, sie müssen noch was drauf setzen. Sie gehen auf den kleinen Hügel gegenüber des Gefängnisses, mit Ferngläsern, und gucken sich ihre Männer an, diejenige zumindest, die das Glück haben, an der Frontseite inhaftiert zu sein. Jedoch begnügen sie sich nicht, ihre Männer anzugucken, nein, sie sprechen auch mit den. Das heißt, wegen der Entfernung: sie brüllen. Und die Männer brüllen zurück.
 
Es ergibt sich dann zum Beispiel solchen Dialogen, ordnungsgemäß aufgenommen und protokolliert von von Anwohnern alarmierten Polizeibeamten:
 
„Deiner Muutter geeht’ss guuuttt!!! … Jaaaa!!! ... Ich liieebe Diiich!!! … Ich aauuuch!!! ... Laaass miiich Sooocken zukooommmen!!! ... Waaass??? Zwiebaaackks???!! ... Jaaaa!!! ... Aaahmeddd läässstt Diiich grüüsssen!!! … Joooo!!! … Wiiillssst Duuu wieder Nuussskuuchen?!! … Waaass??!!! … Ich lieeebe Diiich!!! … Joooo!!!
 
Ergebnis: Die Polizeiwache des Stadtviertels „Les Baumettes“ ist diejenige, die die meisten Anzeigen wegen unzulässiger Lärmbelästigung verzeichnet. Die Justizbehörden in Marseille kommen nicht nach und sind nicht mehr in der Lage, andere dringenden Straffangelegenheiten zügig zu bearbeiten. Ist doch wahr: man sitzt in seinem Garten, friedlich, zufrieden, man schlürft sein Pastis, im Schatten, und man wird akustisch von solchen Wilden belästigt, ist doch wahr, oder?
 
Mein Vorschlag wäre: man sollte den Inhaftierten und ihren Angehörigen vielleicht ein Forum zur Verfügung stellen, damit sie die Möglichkeit haben, sich ihre privaten Angelegenheiten leise mitzuteilen und würdig kommunizieren zu können. So wie wir. Oder?

 

 

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