Blog – Jocelyne Lopez

Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Verwirrendes Gerichtsurteil vom 07.02.14 über die Gebührenpraxis vom LANUV NRW

Ich verweise auf meinen gestrigen Blog-Eintrag Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klage von Tierschützern gegen LANUV NRW am 07.02.14 ab  über ein hochgradig verwirrendes Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf über die Auslegung des Gebührengesetzes NRW § 6 und die Interpretation des darin enthaltenen Begriffs „öffentliches Interesse“:

Gebührengesetz NRW § 6 – Ermäßigung und Befreiung

Aus Gründen der Billigkeit, insbesondere zur Vermeidung sozialer Härten, kann Gebühren-ermäßigung und Auslagenermäßigung sowie Gebührenbefreiung und Auslagenbefreiung vorgesehen und zugelassen werden. Dasselbe gilt für Amtshandlungen, die einem von der handelnden Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interesse dienen [Hervorhebung durch Jocelyne Lopez]

Die Tierschützer beriefen sich zum Anspruch auf Gebührenbefreiung bei ihren Bemühungen, Transparenz über die langjährigen und stark umstrittenen Primatenversuche in der Hirnforschung an der Ruhruniversität Bochum herbeizuführen, auf ein öffentliches Interesse, nicht zuletzt auch wegen einem dringenden Verdacht auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei der Genehmigung dieser Versuche durch die Behörde LANUV NRW.

Der Richter hat in der mündlichen Verhandlung aus diesem § 6 Gebührengesetz NRW das Wort  „wahrzunehmenden“ aufgegriffen und daraus interpretiert, dass die „Wahrnehmung“ des Vorhandenseins eines öffentlichen Interesses von der Behörde zu erfolgen habe, d.h. dass sie letztendlich selbst nach eigenem Ermessen zu beurteilen habe,  ob sie bei einem bestimmten Sachverhalt im öffentlichen Interesse handelt oder nicht. Dies impliziert logischerweise, dass ein öffentliches Interesse in der Gesellschaft nicht unabhängig von der Behörde existieren könne,  sondern vielmehr einzig vorliegt, wenn die Behörde es als solche erkennt und akzeptiert.

Diese eigenwillige Interpretation des Textes des Gesetzes durch den Richter ist bei den Tierschützern, die im Gerichtssaal bei der mündlichen Gerichtsverhandlung als Zuschauer anwesend waren, auf erhebliche Verwirrung und Unverständnis gestoßen. Das übliche Verständnis eines „öffentlichen Interesses“ in einer Gesellschaft hängt nämlich keinesfalls  von den Handlungen und Meinungen einer Behörde ab, sondern einzig von den Handlungen und Meinungen der Bürger dieser Gesellschaft. Und die Bürger in unserer Gesellschaft dokumentieren sehr wohl seit Jahrzehnten ein erhebliches öffentliches Interesse für diese umstrittenen Primatenversuche, sowohl im Land Nordrhein-Westfalen als auch bundesweit. Das kann auch nicht die Absicht des Gesetzgebers beim Informationsfreiheitsgesetz gewesen sein, dass Behörden einzig entscheiden dürfen, wann ein öffentliches Interesse bei gesellschaftlichen Vorgängen besteht oder nicht.

Diese kaum nachvollziehbare Interpretation des Textes des Gesetzes durch den Richter wird deutlicher, wenn man eine andere Formulierung des Gesetzestextes für die Gebührenbefreiung der Bürger bei Anliegen vom öffentlichen Interesse heranzieht, zum Beispiel die Formulierung der geltenden Verwaltungsgebührensatzung der Stadt Recklinghausen vom 07.11.2000 (Amtsblatt Nr. 35 vom 04.12.2000) “§ 4 – Sachliche Gebührenfreiheit – Absatz 2“, siehe

Gebühren werden nicht erhoben für besondere Leistungen, die überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen werden“,

wo der Anspruch der Bürger auf Gebührenbefreiung bei  Auskunftsersuchen im öffentlichen Interesse eindeutig und unmissverständlich formuliert wird.

Es darf wohl nicht sein, dass die Rechte der Bürger im Land Nordrhein-Westfalen davon abhängen, wie Behörden oder Richter die Formulierungen und Begriffe der Gesetzestexte interpretieren und die Absichten des Gesetzgebers auslegen.

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© Bild Norbert Fenske Photographically

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Siehe auch in diesem Blog:

Verwaltungsgericht Düsseldorf oder wie schnell man das Informationsfreiheitsgesetz aushebeln kann

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hebelt das Informationsfreiheitsgesetz aus

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf erlässt wohl seine eigenen Gesetze zugunsten LANUV NRW

Verwaltungsgericht Düsseldorf: Die Bürger sind alle Heinis und Tussis

Verwaltungsgericht Düsseldorf: Was will diese Tussi von uns?

 

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In Liebe und zärtlichem Gedenken der vergessenen Tiere,
in Stehsärgen ohne Nächte und Tage,
in den Forschungslaboratorien von Medizin und Wissenschaft,
denn sie sind die Opfer eines endlosen, irren Verbrechens.
(anonym)

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Comments

  1. Februar 8th, 2014 | 19:58

    […] Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Verwirrendes Gerichtsurteil vom 07.02.14 über di… […]

  2. Februar 9th, 2014 | 13:37

    […] Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Verwirrendes Gerichtsurteil vom 07.02.14 über di… […]

  3. Februar 11th, 2014 | 07:45

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  4. Februar 12th, 2014 | 12:57

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  5. Februar 13th, 2014 | 06:28

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  6. Februar 24th, 2014 | 06:03

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