Blog – Jocelyne Lopez

Die offizielle Wissenschaftskommunikation ist geprägt von Lobbyismus, wirtschaftlichen Interessen und Vetternwirtschaft

Ich verweise auf Austausche im MAHAG-Forum über die offizielle Wissenschafts-kommunikation an die Öffentlichkeit:

 

15.04.13 – Zitat Ralf Maeder:

[…] Bin mal zur Desy Homepage ruebergesurft und habe unter „Forschung“ das HERA-Experimente angeklickt. Dort wird angedeutet, dass das eigentliche „Teil“ schon stillgelegt wurde, aber man ist immer noch dabei, die Daten auszwerten. Das komische daran ist, dass dort unter anderem steht: „Die Auswertung der aufgezeichneten Messdaten wird bis weit über 2010 hinaus einzigartige Einsichten in das Innenleben des Protons und die Natur der fundamentalen Kräfte liefern.“

Wie jetzt, 2010? Wir haben 2013! Ist da seit 3 Jahren keiner mehr daran gegangen und aktualisiert die Seite vom „HERA“? Gibt es keine Auswertungen? Oder gab es einen kleinen Stoerfall und die Daten sind …weg? Koennte ein Fall fuer JL sein, oder?

JOCELYNE !!!!
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16.04.13 – Zitat Jocelyne Lopez:  

Ralf, ich kann nicht alles selbst machen, sonst bräuchte ich dafür 48 Stunden pro Tag…

Die offizielle Wissenschaftskommunikation ist nämlich restlos marode, zumindest in der theoretischen Physik und in der Kosmologie (siehe zum Beispiel meinen gestrigen Blog-Eintrag: CERN-Forschung: Die Öffentlichkeit kann sie nicht verstehen, sie wird nur zur Kasse gebeten.

Jeder einzelne Bürger ist jedoch gesetzlich legitimiert, von den verantwortlichen und zuständigen öffentlichen Stellen beliebige Informationen zu erhalten, die ihn interessieren, und zwar im Rahmen des Informationsfreiheitgesetzes (oder der EU-Antikorruptionsvereinbarung), das besonders prägnant vom Berliner Informations-freiheitgesetz formuliert wurde:

§ 1 – Zweck des Gesetzes

„Zweck dieses Gesetzes ist es, durch ein umfassendes Informationsrecht das in Akten festgehaltene Wissen und Handeln öffentlicher Stellen unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten unmittelbar der Allgemeinheit zugänglich zu machen, um über die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinaus die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen.“

Jeder darf also eine Bürgeranfrage an die zuständige und verantwortliche öffentliche Stelle richten und muss nach Gesetz eine Antwort erhalten. Hier kurz zusammengefasst eine kleine „Betriebsanweisung“ aus der Praxis, wenn man eine Chance haben möchte, eine Antwort zu bekommen:

  1. Wenn man nicht sicher ist, welche Behörde für die Fragen zuständig und verantwortlich ist, erst einmal als Sicherheit das entsprechende Bundesministerium darum bitten, die zuständige und verantwortliche Behörde und die zuständige und verantwortliche Abteilung zu nennen (ein Beispiel davon habe ich heute bei einer neuen Bürgeranfrage gebracht: Anfrage an die Bundesministerin Johanna Wanka wegen Datenmanipulation beim Experiment Hafele-Keating. In der Regel antworten die Ministerien sehr schnell und ohne Erinnerungen – ich habe dabei nie Probleme gehabt – und geben die gewünschten Kontaktdaten an (manche Ministerien leiten sogar selbst die Anfrage an die zuständige Stelle weiter).
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  2. Dann die Frage an die genannte Behörde so gezielt, präzis und kurz wie möglich formulieren. Man kann so viele Fragen stellen wie nötig (man muss sie dann unbedingt nummerieren), um eine gezielte Antwort ohne Ausweichmöglichkeiten der Behörde zu erreichen. Nach meiner Erfahrung im Bereich Tierschutz und Physik neigen viele Behörden zu mauern, auszuweichen und blabla zu antworten.
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  3. Nur rein fachliche Fragen stellen! Nie persönliche Meinungen oder Bewertungen äußern! Dies ist sehr wichtig: Eine Behörde ist nicht befugt, Meinungen oder Bewertungen abzugeben oder dazu Stellung zu beziehen. Enthält die Anfrage Meinungen oder Bewertungen ist die Behörde zu Recht berechtigt, die Anfrage komplett zu ignorieren.
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  4. Nie Vorwürfe gegenüber der Behörde oder dem Staat oder der Gesellschaft oder sonst was äußern! Im Rahmen einer Bürgeranfrage ist eine Behörde nicht befugt, Stellung zu Vorwürfen zu beziehen. Enthält die Anfrage Vorwürfe ist die Behörde zu Recht berechtigt, die Anfrage komplett zu ignorieren.
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  5. Nie Beleidigungen und unsachliche Äußerungen! Der Schreibstil soll unbedingt höflich und sachlich sein, und so unpersönlich und distanziert wie möglich.
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  6. Sich unbedingt auf ein öffentliches Interesse bei der Bürgeranfrage beziehen, sonst kann das leicht passieren, dass man für die Auskunft mit Gebühren zur Kasse gebeten wird, und nicht zu wenig. Auch wenn man sich darauf bezieht kann es passieren, das habe ich mit Mitstreitern beim Tierschutz erlebt, wo wir inzwischen 4 Klagen wegen Gebührenerhebung gegen die genehmigende Behörde der Primatenversuche in Bochum eingereicht haben – die Urteile stehen noch aus.
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  7. Wichtig: Eine Frist von 4 Wochen für die Beantwortung setzen (das ist die gesetzliche Frist) und Termin überwachen. Wenn keine Antwort kommt, eine Erinnerung mit erneuter 4 Wochen Frist schicken, wenn nötig eine zweite Erinnerung.
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  8. Wenn die Fragen ausweichend bzw. nichtssagend beantwortet wurden, was sehr häufig vorkommt, eine Beschwerde schreiben. Sich nicht mit Hinweisen auf Bücher, auf Links oder auf sonstige Veröffentlichungen abservieren lassen, worin die Antwort auf die gezielt gestellte Frage nicht enthalten ist. Siehe zum Beispiel meine Bürgeranfrage an die PTB: Neutrino-Experiment: Anfrage an die Physikalisch-Technische Bundesanstalt

Viel Glück!
Eins steht fest, man braucht eine gute Portion Durchhaltevermögen. Nach meinen Erfahrungen seit 10 Jahren mauern die Behörden massiv bei brisanten Thematiken. Die Wissenschaftskommunikation ist komplett marode und hauptsächlich von Lobbyismus, wirtschaftlichen Interessen und Vetternwirtschaft geprägt.

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Comments

  1. April 24th, 2013 | 07:20

    […] In diesem Kontext habe ich aus persönlichen Erfahrungen eine kleine „Anweisung“ aus der Praxis im MAHAG-Forum geschrieben, wie man eine Chance haben kann, eine Antwort auf eine Bürgeranfrage von einer zuständigen und verantwortlichen Behörde zu erhalten, siehe in meinem Blog. […]

  2. Mai 6th, 2013 | 08:12

    […] Wenn Du also persönlich der Meinung bist, dass die PTB etwas Falsches sagt über die Fähigkeiten der Allgemeinheit, die SRT ohne Physikstudium zu verstehen, kannst Du sie eben als Bürger (der sie vollständig finanziert, wie das Bildungs- und Forschungssystem) im Rahmen des Informationsfreiheitgesetzes um Klärung bitten. Das habe ich eben getan. Darfst Du auch tun, kein Problem, eine kleine Hilfestellung habe ich geschrieben, kannst Du sie vielleicht verwenden: http://www.jocelyne-lopez.de/blog/2013/04/die-offizielle-wissenschaftskommunikation-ist-gepragt-von-… […]