Blog – Jocelyne Lopez

Grausame Primatenversuche in der Hirnforschung in Magdeburg

Seit Jahren werden in Magdeburg Versuche mit Primaten durchgeführt, siehe zum Beispiel Berichte der Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche e.V. : Tierversuche in Brennpunkt – Magdeburg und Grausame Tierversuche am Leibniz-Institut in Magdeburg.

Wir sind eine Gruppe von Tierversuchsgegnern und stellen die Rechtsmäßigkeit dieser langjährigen Primatenversuche in der Hirnforschung in Frage. Nachstehend geben wir den Verlauf unseres Austausches mit der genehmigenden Behörde wieder, dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, Halle (Saale):
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12.11.12 – Anfrage an das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, Referat Verbraucherschutz, Veterinärangelegenheiten, Halle (Saale)

Betr: Tierschutz – Durchführung von Primatenversuchen im Leibniz-Institut
für Neurobiologie (LIN), Magdeburg und ZENIT GmbH Magdeburg

Sehr geehrte Damen und Herren,

auf meine Anfrage hin informierte mich Herr Minister Dr. Hermann Onko Aeikens, dass Ihre Behörde zuständig und verantwortlich für die Genehmigung von Tierversuchen in Magdeburg ist.

Ich vermute einen Mangel in der Einhaltung der rechtlichen Vorschriften bei der Primatenforschung in Magdeburg und bitte um Beantwortung folgenden Fragen im öffentlichen Interesse:

1) Für welche Forschungszwecke werden Primatenversuche in Magdeburg durchgeführt:

a) In der Grundlageforschung

b) In der medizinischen Forschung

c) In der pharmazeutischen Forschung

d) In der Toxikologie

2) Seit wann werden Primatenversuche in Magdeburg durchgeführt?

3) Zu welchen Erfolgen für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen oder Tieren haben nach Kenntnis Ihrer Behörde die in Magdeburg durchgeführten Versuche bei den jeweiligen Forschungszwecken bis jetzt geführt?

4) Auflistung der Versuche, die aktuell von Ihrer Behörde genehmigt sind (bzw. wofür ein Genehmigungsantrag aktuell vorliegt), mit folgenden Angaben:

a) Datum der Erteilung und des Auslaufens der Genehmigung

b) Anzahl und Art der eingesetzten Tiere

c) Beschreibung des Versuchs

d) Forschungszweck und angestrebtes Nutzen

e) Bestätigung, dass gemäß Ihren Recherchen vor Erteilung der Genehmigung ähnliche Versuche nicht an anderen Forschungsstellen durchgeführt werden oder durchgeführt wurden.

f) Bestätigung, dass gemäß Ihren Recherchen vor Erteilung der Genehmigung keine tierversuchsfreien Alternativforschungsmethoden zur Verfügung standen (Zentralstelle ZEBET)

5) Wie beurteilt Ihre Behörde die Information, dass die jeweils zuständigen Behörden die Genehmigungen für Primatenversuchen in Berlin, München, Bremen und Bochum nicht mehr erteilt haben? Siehe z.B. hier Information der Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche e.V. : Der Fall Bremen

6) Wie beurteilt Ihre Behörde die Studien und Berichte aus der Fachwelt über die Sinnlosigkeit und die Grausamkeit der Primatenversuche? Siehe zum Beispiel hier: Hirnforschung an Affen: Grausam und sinnlos

Ich berufe mich auf das Informationsfreiheitgesetz und möchte auch dringend auf mein besonderes Bedürfnis nach Erfüllung der Artikel 20 Nr. 3 und Artikel 20 a Grundgesetz hinweisen.

Ich danke im Voraus für Ihre Auskunftserteilung bis zum 31.12.2012 und verbleibe
mit freundlichen Grüßen

Roswitha Taenzler

Mitzeichner:
Jocelyne Lopez
Gabriele Menzel
Dagmar Seliger
Claudia Sunitsch
Gisela Urban
Aktionsgemeinschaft gegen Tierversuche FFM
Tierfreunde ohne Grenzen e.V.
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11.12.12 – Antwort vom Landesverwaltungsamt, Halle (Saale)

Ihr Antrag nach dem Informationsfreiheitgesetz vom 12.11.2012;
Tierschutz – Durchführung von Primatenversuchen im Leibnitz-Institut
für Neurobiologie Magdeburg und ZENIT GmbH Magdeburg

Sehr geehrte Frau Taenzler,

Sie haben einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt. Für Behörden des Landes Sachsen-Anhalt gilt jedoch das Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA). Daher haben ich Ihren Antrag als Antrag auf Auskunftserteilung nach dem IZG LSA gewertet.

Ihr o.g. Antrag wurde dem Referat Justitiariat als innerhalb des Landesverwaltungsamtes für die Durchführung des IZG LSA zuständiges Referat zur Prüfung übergeben.

Zu den von Ihnen im Hinblick auf die Durchführung von Primatenversuchen in Magdeburg gestellten Fragen ist Folgendes auszuführen:

Zu Frage 1:

Die Primatenversuche werden in der Grundlagenforschung durchgeführt und dienen Vorbeugung, Erkennen oder Behandeln von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder körperlichen Beschwerden oder dem Erkennen oder Beeinflussen physiologischer Zustände oder Funktionen bei Mensch oder Tier.

Zu Frage 2:
Seit dem 16.03.1998 werden Primatenversuche in Magdeburg durchgeführt.

Zu Frage 4:

Versuch 1:

a) Die Genehmigung wurde am 16.07.2012 erteilt und ist bis zum 31.07.2015 befristet.

b) Es sind 10 Makaka fascicularis eingesetzt.

c) Tiefe Hirnstimulation zur Behandlung von Epilepsie im Primatenmodell

d) Die Versuche werden in der Grundlagenforschung durchgeführt und dienen Vorbeugung, Erkennen oder Behandeln von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder körperlichen Beschwerden oder dem Erkennen oder Beeinflussen physiologischer Zustände oder Funktionen bei Mensch oder Tier.

e) und f)

Die von Ihnen verlangten Bestätigungen beziehen sich auf Recherchen, die vom Tierschutzgesetz und der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes vom 09.02.2000 nicht vorgesehen sind. Daher sind hierzu keine aufgezeichneten amtlichen Informationen vorhanden.
Versuch 2:

a) Die Genehmigung wurde am 16.7.2012 erteilt und ist bis zum 31.07.2015 befristet.

b) Es sind 8 Makaka fascicularis eingesetzt.

c) Neuronale Korrelate des sensorischen Arbeitsgedächtnisses in der Hörrinde und im präfrontalen Kortex von Affen

d) Die Versuche werden in der Grundlagenforschung durchgeführt.

e) und f)

Die von Ihnen verlangten Bestätigungen beziehen sich auf Recherchen, die vom Tierschutzgesetz und der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes vom 09.02.2000 nicht vorgesehen sind. Daher sind hierzu keine aufgezeichneten amtlichen Informationen vorhanden.

Zu den Fragen 3, 5 und 6 sind ebenfalls keine aufgezeichneten amtlichen Informationen vorhanden. Fragen zu nicht aktenmäßig untersetzen Positionen sowie Rechtsauffassungen der Behörde sind nicht nach dem IZG LSA zu beantworten, da es an der Eigenschaft einer aufgezeichneten amtlichen Information fehlt (vgl. Anwendungshinweise des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Schasen-Anhalt zum IZG LSA – § 2, S. 17).

Abschließend weise ich Sie darauf hin, dass die Durchführung des IZG LSA gemäß § 10 IZG LSA kostenpflichtig ist. Die Gebühr bemisst sich dabei nach dem angefallenen Zeitaufwand. Über die Kosten wird Ihnen ein gesonderter Kostenbescheid zugehen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Münscher-Paulig

 

 

11.01.13 – Antwort an das Landesverwaltungsamt Halle (Saale)

Betr.: Durchführung von Primatenversuchen in Magdeburg
Meine Anfrage vom 12.11.2012
Ihr Schreiben vom 11.12.2012
(AZ 503.1.1. 5114-14/12 – Sachbearbeitung Frau Münscher-Paulig)

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich danke für Ihr Schreiben vom 11.12.2012 in obiger Angelegenheit und komme auf Ihre Aussagen zu den von Ihrem Amt nicht beantworteten Fragen 3 und 4 aus meiner Anfrage zurück:

Frage 3) aus meiner Anfrage vom 12.11.2012:

Zitat:
Zu welchen Erfolgen für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen oder Tieren haben nach Kenntnis Ihrer Behörde die in Magdeburg durchgeführten Versuche bei den jeweiligen Forschungszwecken bis jetzt geführt?
Zitatende

 

Ihre Antwort aus Ihrem Schreiben vom 11.12.2012:

Zitat:
Zu den Fragen 3, 5 und 6 sind ebenfalls keine aufgezeichneten amtlichen Informationen vorhanden. Fragen zu nicht aktenmäßigen untersetzten Positionen sowie Rechtsauffassungen der Behörde sind nicht nach dem IZG LSA zu beantworten, da es an der Eigenschaft einer aufgezeichneten amtlichen Information fehlt (vgl. Anwendungshinweis des Landesbeauftragten für die lnformationsfreiheit Sachsen-Anhalt zu IZG LSA – S 2, S. 17).
Zitatende

 

Diese Antwort wirkt für Bürger äußert befremdlich. Gemäß Informationen aus den Medien haben nämlich die Forscher mit dem Antrag zur Genehmigung des Versuchsvorhabens substantiiert nachzuweisen, dass das Vorhaben unerlässlich im Sinne des Gesetzes ist, was logischerweise impliziert, daß die genehmigende Behörde sowohl den im Forschungsantrag angestrebten Nutzen, als auch die Nachweise von umsetzbaren Erkenntnissen zur Kenntnis nehmen muss und in der Akte festzuhalten hat.

Ich zitiere hier zum Beispiel Informationen von einem führenden Hirnforscher, der auch langjährig solche Versuche in Frankfurt durchführt:

Zitat Prof. Dr. Wolf Singer, Direktor des Max-Planck Instituts für Hirnforschung in Frankfurt in der Zeitschrift „Gegenworte“ Nr. 4, 1999:

Ich muß in meinen Anträgen den Nachweis antreten, daß die Ergebnisse einer geplanten Versuchsreihe von so großer praktischer Bedeutung sein werden, daß sie ethisch gerechtfertigt ist. Das zwingt mich fast zum Betrug, weil ich in der Tat in vielen Bereichen nicht angeben kann, ob das Versuchs-ergebnis wirklich in absehbarer Zeit Leiden vermindern wird. […] Man wird vom Gesetzgeber in eine Argumentationspflicht genommen, die man vor sich selbst nicht rechtfertigen kann.“
[…]
Ja, das sieht man deutlich daran, daß der Gesetzgeber zu-nehmend die Zuwendung von Mitteln davon abhängig macht, daß wir nachweisen können, welche umsetzbaren Erkenntnisse die einzelnen Untersuchungen erbringen werden. Das ist eine Katastrophe. Diese Vorgaben verführen die Forscher zum Schwindeln.

Zitatende

Demzufolge wäre die Antwort Ihres Amtes auf meine Frage über die Erfolgen der Versuchsreihe für die Gesundheit von Menschen oder Tieren, dass keine aufgezeichneten amtlichen Informationen vorhanden sein müssen, nicht zutreffend und würde auf nicht gesetzeskonforme Genehmigungen schließen lassen.

 

Fragen 4) e und f aus meiner Anfrage vom 12.11.12:

Zitat:
e) Bestätigung, dass gemäß Ihren Recherchen vor Erteilung der Genehmigung ähnliche Versuche nicht an anderen Forschungs-stellen durchgeführt werden oder durchgeführt wurden.

f) Bestätigung, dass gemäß Ihren Recherchen vor Erteilung der Genehmigung keine tierversuchsfreien Alternativforschungs-methoden zur Verfügung standen (Zentralstelle ZEBET)
Zitatende

Ihre Antwort aus Ihrem Schreiben vom 11.12.12:

Zitat:
e) und f)

Die von lhnen verlangten Bestätigungen beziehen sich auf Recher-chen, die vom Tierschutzgesetz und der allgemeinen Verwaltungs-vorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes vom 09.02.2000 nicht vorgesehen sind. Daher sind hierzu keine aufgezeichneten amtlichen Informationen vorhanden.
Zitatende

Auch diese Antwort wirkt für Bürger äußerst befremdlich. Das Tierschutzgesetz (§§ 7 und 8 ) verpflichtet die genehmigende Behörde zu prüfen, dass das Versuchsvorhaben unerlässlich im Sinne des Gesetzes ist, unter Berücksichtigung von folgenden Einschränkungen:

– Vermeidung von Doppel- und Wiederholungsversuchen.

Dies setzt voraus, dass die Behörde vor Erteilung der Genehmi-gung Recherchen anstellen muss, ob die beantragten Versuche nicht an anderen Forschungsstandorten schon durchgeführt wurden oder durchgeführt werden. Diese Recherchen stellen also sehr wohl eine vom Tierschutzgesetz aufgezeichnete amtliche Information, die zu der Genehmigungsakte gehört. Dadurch hätte Ihre Behörde feststellen können, dass solche Versuche in der Hirnforschung schon langjährig an anderen Forschungsstandorten durchgeführt wurden bzw. durchgeführt werden (Frankfurt, Tübingen, Bochum, München, Berlin, Göttingen).

Bevorzugung von tierversuchsfreien Alternativmethoden.

Zu diesem Zweck stellt die staatlich finanzierte Zentralstelle ZEBET (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) den Forschern und den genehmigenden Behörden eine umfangreiche Datenbank zu Alternativ-forschungsmethoden zur Verfügung. Diese Recherchen stellen also auch sehr wohl eine vom Tierschutzgesetz aufgezeichnete amtliche Information, die vor Erteilung der Genehmigung einzuholen ist und zu der Genehmigungsakte gehört. Dadurch hätte Ihre Behörde zum Beispiel feststellen können, dass moderne tierversuchsfreie Verfahren in der Hirnforschung schon langjährig den Forschern zur Verfügung stehen, siehe zum Beispiel einen Bericht der Organisation Ärzte gegen Tierversuche e.V.: Hirnforschung mit Sinn und Verstand – Ohne Affen

Abschließend möchte ich zu Ihrer folgenden Aussage in Ihrem Schreiben vom 11.12.12 Stellung nehmen:

Zitat:
Abschließend weise ich Sie darauf hin, dass die Durchführung des IZG LSA gemäß § 10 IZG LSA kostenpflichtig ist. Die Gebühren bemisst sich dabei nach dem angefallenen Zeitaufwand. Über die Kosten wird lhnen ein gesonderter Kostenbescheid zugehen.
Zitatende

Wie Sie es aus meiner Anfrage vom 12.11.12 entnehmen konnten, informierte mich Herr Minister Dr. Hermann Onko Aeikens auf meine Frage hin, dass Ihre Behörde zuständig und verantwortlich für die Genehmigung von Tierversuchen in Magdeburg ist, so dass meine Anfrage ersichtlich – und auch ausdrücklich in meinem Schreiben vom 12.11.12 – im öffentlichen Interesse erfolgte. Ich engagiere mich ehrenamtlich, um die notwendige Transparenz bei den Primatenver-suchen in Magdeburg herbeizuführen und den legitimierten Informationsbedarf der interessierten Öffentlichkeit zu befriedigen.

Für die Erhebung von Gebühren verweist das IZG LSA im § 10 auf das Verwaltungskostengesetz des Landes Sachsen-Anhalt, jedoch wird nirgendwo im IZG LSA angeordnet, dass die Regelung der Gebührenbefreiung bei Auskünften, die im öffentlichen Interesse erfolgen, aufgehoben wird. Ich berufe mich dementsprechend auf das Verwaltungskostengesetz des Landes Sachsen-Anhalt:

Zitat:
VwKostG § 6 Kostenermäßigung und Kostenbefreiung
Für bestimmte Arten von Amtshandlungen können aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebühren-ermäßigung und Auslagenermäßigung sowie Gebührenbefreiung und Auslagenbefreiung vorgesehen oder zugelassen werden.
Zitatende

und beantrage eine Gebührenbefreiung für meine Anfrage im öffentlichen Interesse.

Mit ehrenamtlichen Grüßen
Roswitha Taenzler

Mitzeichner:
Jocelyne Lopez
Gabriele Menzel
Dagmar Seliger
Claudia Sunitsch
Gisela Urban
Aktionsgemeinschaft gegen Tierversuche FFM
Tierfreunde ohne Grenzen e.V.



Comments

  1. Januar 13th, 2013 | 08:04

    […] Wir sind eine Gruppe von Tierversuchsgegnern und stellen die Rechtsmäßigkeit der langjährigen Primatenversuche in Magdeburg in der Hirnforschung in Frage. Ich verweise in diesem Blog auf unsere Anfrage an die genehmigende Behörde, das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) und auf die Antwort der Behörde: Grausame Primatenversuche in der Hirnforschung in Magdeburg. […]