Blog – Jocelyne Lopez

Lexikonverlag Brockhaus: Es gibt nur antisemitische und unseriöse Kritiker der Relativitätstheorie

Einem Lehrer, der die Information zur Unterrichtsgestaltung anforderte, wurde diese Auskunft erteilt:

2. Die Relativitätstheorie fand in der wissenschaftlichen Welt allgemein eine sehr rasche Anerkennung. Kritik wurde von einzelnen aus eher welt­anschaulichen Gründen angebracht.

Während die Einwände Ernst Gehrkes naturphilosophischer und erkenntnis­theoretischer Art waren, ging die physikalisch unhaltbare Kritik aus der sogenannten „deutschen Physik“ im Dritten Reich auf den nationalsozia­listischen Rassismus und Antisemitismus zurück. Prominenteste Vertreter waren die Nobelpreisträger Philipp Lenard und Johannes Stark. Sie be­gannen sich nach Ende des Ersten Weltkriegs nationalistischen und anti­semitischen Positionen zuzuwenden und zählten schließlich zu den führen­den Köpfen der nationalsozialistischen Propaganda, die auf die Ausgren­zung und Abwertung einer angeblich „jüdischen Wissenschaft“ zielte. Dabei stuften sie die Relativitätstheorie Einsteins als abstraktes mathematisches Konstrukt ohne Wirklichkeitsbezug ein, das mit seiner Unanschaulichkeit dem „jüdischen Denken“ entspringe und einem „ger­manisch-deutschen Naturbild“ zuwiderlaufe.

Lenard stellte der Einsteinschen Theorie eine komplizierte Weiterent­wicklung der Äthertheorie mit mehreren gegeneinander bewegten Ätherarten entgegen. Aber weder waren die Argumente gegen die Relativitätstheorie physikalisch in irgendeiner Weise stichhaltig, noch wurde die wenig überzeugende Äthertheorie Lenards von nicht-nationalsozialistischen Wissenschaftlern ernst genommen. Eigentlicher Ursprung der Angriffe war nur die nationalsozialistische Ideologie. Einzelheiten entnehmen Sie bitte den beiliegenden Biographien, die Ihnen auch weiterführende Literaturangaben bieten.

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3. Die Relativitätstheorie ist heute fest in der Physik etabliert und wird von seriösen Wissenschaftlern nicht angezweifelt. Zahlreiche und immer genauer durchgeführte Experimente bestätigen sie in ausgezeich­neter Weise. Nicht zuletzt fußen auf der speziellen Relativitätstheorie auch erfolgreiche quantenphysikalische Theorien wie die Quantenelektro­dynamik, die selbst wieder sehr genau mit Experimenten übereinstimmt. Versuche einzelner heutiger Autoren, die Relativitätstheorie zu „wider­legen„, sind meist philosophisch-weltanschaulich motiviert und bleiben physikalisch oberflächlich oder in Widersprüchen hängen. Davon zu unter­scheiden sind die ernsthaften wissenschaftlichen Bemühungen, die allge­meine Relativitätstheorie quantenphysikalisch zu verallgemeinern – so wie die Relativitätstheorie ihrerseits die Newtonsche Mechanik verallge­meinert hat – und eine Theorie der Quantengravitation“ zu entwickeln. Als ein wichtiger Vertreter dieses Zweiges der theoretischen Physik sei nur der, auch durch die Medien bekannte, britische Physiker Stephen Hawking genannt.

(Lexikonverlag Brockhaus)

Die Schüler und Studenten dürfen also lernen, dass Autoren nur aus antisemitischer Motivation die Spezielle Relativitätstheorie kritisiert haben, und dass es bis heute noch „keine seriösen Wissenschaftler [gib]t, die diese Theorie anzweifeln„. Wenn das nicht Betrug der Öffentlichkeit und Irreführung von Generationen von Schülern und Studenten ist, was ist das denn?

In diesem Zusammenhang verweise ich auf das Sammelwerk der Forschungsgruppe G.O. Mueller, die in ihrer Dokumentation von Juni 2004 weltweit 3789 kritische Arbeiten von ca. 1300 Autoren über eine Zeitspanne von 95 Jahren dokumentiert, sowie auch auf Ausführungen aus dieser Dokumentation in diesem Blog: Die besondere Strategie: der verleumderische Antisemitismus-Vorwurf und Was haben Antisemitismus, Nationalsozialismus und Völkermord mit Physik zu tun?

Ich erinnere auch daran, dass erstmalig in der Geschichte der Relativitätstheorie eine Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Dr. Annette Schavan am 14.08.2006 per E-Mail bestätigt hat, dass sie Kenntnis von einer umfangreichen und unterdrückten Kritik der Relativitätstheorie in einer Zeitspanne von 95 Jahren genommen hat. Bitte lesen Sie nachstehend den Text dieser E-Mail.

(Jocelyne Lopez)

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From: „Richter, Juergen /711“
To: „Jocelyne Lopez“
Date: Mon, 14 Aug 2006 15:04:08 +0200
Subject: Forschungsgruppe G. O. Müller; Kritik an der Relativitätstheorie

Sehr geehrte Frau Lopez,

sie haben unter dem 31. Juli der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Dr. Annette Schavan, Mitglied des Deutschen Bundestages, unter der Überschrift „Freiheit der Wissenschaft nach Artikel 5 des Grundgesetzes“ eine E-Mail zugesandt. Frau Bundesministerin Dr. Schavan lässt Ihnen danken und hat das Schreiben dem Referat „Naturwissenschaftliche Grundlagenforschung“ im BMBF zur Beantwortung übergeben.

Es soll zuallererst darauf hingewiesen werden, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung aus grundsätzlichen Erwägungen keine Stellungnahme zu wissenschaftlichen Thesen und Theorien abgibt. Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung sind unter den Experten in der Wissenschaft selbst zu diskutieren. Hierzu gehört auch die von der Forschungsgruppe G. O. Müller vorgebrachte Kritik an der Speziellen Relativitätstheorie von A. Einstein aus dem Jahre 1905.

Des Weiteren ist festzustellen, dass die Ergebnisse der Forschungsgruppe G. O. Müller veröffentlicht wurden, zum einen in gedruckter Buchform und zum anderen im Internet. Die Forschungsergebnisse sind damit öffentlich breit zugänglich. Ihr Vorwurf, die Forschungsgruppe könne ihre Meinung nicht öffentlich äußern, ist daher unrichtig und eine Verletzung der Grundrechte in Bezug auf freie Meinungsäußerung kann nicht festgestellt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag Jürgen Richter

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Prof. Dr. Juergen Richter
Bundesministerium fuer Bildung und Forschung, Referat 711, 53175 Bonn
Tel.: 01888 57 3222 Fax: 01888 57 8 3222
E-mail: juergen.richter@bmbf.bund.de



Comments

  1. November 24th, 2008 | 13:58

    […] Und der Staat hat sich auch schon eingeschaltet. Lesen Sie bitte den Text der E-Mail der Bundesministerin für Bildung und Forschung Frau Dr. Annette Schavan, zum Beispiel hier in diesem Blog: Lexikonverlag Brockhaus: Es gibt nur antisemitische und unseriöse Kritiker der Relativitätstheorie… […]

  2. November 27th, 2008 | 22:12

    […] – Ist es meinungsneutrale Wissenschaftspflege und Vermittlung der Wissenschaft an die nächstfolgende Generation, wenn vom bekanntesten Lexikonverlag (Brockhaus) auf Anfrage eines Lehrers zur Gestaltung des Unterrichts die Auskunft erteilt wurde, es gäbe nur antisemitische und unseriöse Kritiker der Relativitätstheorie? Siehe http://www.jocelyne-lopez.de/blog/?p=486 […]

  3. Oktober 14th, 2009 | 07:19

    […] Kritiker durch offiziellen Stellen und Schulverlage: Jocelyne Lopez schreibt an Frau Milena Wazeck Lexikonverlag Brockhaus: Es gibt nur antisemitische und unseriöse Kritiker der Relativitästheorie Dr. Markus Pössel: Die Kritiker der Relativitätstheorie sind […]

  4. September 17th, 2011 | 09:15

    […] Hier sei zum Beispiel ein aufschlussreiches zeitgenössisches Dokument erwähnt: Ein Brief von dem im Bildungssystem führenden Lexikonverlag Brockhaus an einen Lehrer, der Information über die Kritik der Relativitätstheorie zur Unterrichtsgestaltung anforderte. Ihm wurde diese Auskunft erteilt, siehe Lexikonverlag Brockhaus: Es gibt nur antisemitische und unseriöse Kritiker der Relativitätstheorie: […]