Blog – Jocelyne Lopez

Austausch mit Herrn Dr. Markus Pössel von 19./20.10.08

Ich erhielt im Zusammenhang mit dem Austausch mit Herrn Dr. Markus Pössel von 05./07.10.08 folgende E-Mail-Antwort:

Von Markus Pössel
An Jocelyne Lopez
Datum 19.10.08
Betr.: Frage zur Speziellen Relativitätstheorie

Sehr geehrte Frau Lopez,

ich freue mich natuerlich ueber die Aussage, dass Sie meine Mails sehr gruendlich lesen. Bleibt nun aber die Tatsache, dass meine Argumentation zum Thema Relativitaet der Laengenmessung offenbar trotzdem nicht angekommen ist. Da dies der Kern meiner Argumentation ist (und, soweit ich sehen kann, die Antworten auf alle Fragen enthaelt, die Sie mir zur Laengenkontraktion gestellt haben), fuehre ich die einzelnen Argumentationsschritte hier noch einmal auf, etwas ausfuehrlicher als in meinen vorigen Mails.

Darauf, was es heisst, dass Geschwindigkeitsmessungen relativ sind, hatten wir uns in einer frueheren Mail ja schon einigen koennen.

Ausserdem hatten wir uns darauf geeinigt, wie ein Beobachter die Laenge eines relativ zu ihm bewegten Objekts misst. (Das gleiche Verfahren funktioniert auch im Grenzfall einer „Geschwindigkeit null“, wenn das Objekt relativ zum Beobachter ruht – das Vorgehen ist fuer alle Geschwindigkeiten das gleiche.) Das Verfahren setzt voraus, dass zwei bestimmte Messungen (Position des Vorder- und Hinterendes des Objekts) gleichzeitig stattfinden.

Wir sind uns ausserdem einig, dass Gleichzeitigkeit in der Speziellen Relativitaetstheorie relativ ist – ob zwei Ereignisse gleichzeitig stattfinden, wird von relativ zueinander bewegten Beobachtern unterschiedlich beurteilt.

Auch die Laengenmessung ist relativ, also vom Bezugssystem abhaengig. Bei jeder Laengenmessung gehen ja, wie gesagt, nicht nur die materiellen Eigenschaften des zu vermessenden Objekts ein, sondern auch Eigenschaften des Bezugssystems, insbesondere, wie wir gesehen haben, der Gleichzeitigkeitsbegriff des Bezugssystems. Falls nicht noch weitere, bislang noch nicht erwaehnte Effekte ins Spiel kommen, durch die sich diese Bezugssystemabhaengigkeit weghebt, ist damit auch der gemessene Wert fuer die Laenge eines Objekts vom Bezugssystem abhaengig.

Damit ist es nicht verwunderlich, wenn die von verschiedenen Bezugssystemen aus gemessenen Werte fuer die Laenge ein und desselben Objekts unterschiedlich sind, genau so wie es nicht verwunderlich ist, dass ein und dasselbe Objekt von einem Bezugssystem A aus die Geschwindigkeit 50 km/h hat, von einem anderen Bezugssystem B aus dagegen die Geschwindigkeit 30 km/h.

Insbesondere ist es kein Widerspruch, dass ein und demselben Objekt viele unterschiedliche Laengenwerte zugeordnet werden, ebenso wenig wie es ein Widerspruch ist, dass unterschiedliche Beobachter ein und demselben Objekt viele unterschiedliche Geschwindigkeitswerte zuordnen. Hinter der Unterschiedlichkeit der Werte steckt in beiden Faellen die gleiche Eigenschaft: Laengen und Geschwindigkeiten sind relative Groessen. Das heisst: jeder Messwert fuer diese Groessen haengt nicht nur von dem Objekt ab, dessen Laenge oder Geschwindigkeit gemessen wird, sondern auch von dem Bezugssystem ab, von dem aus die Messung vorgenommen wird. Verschiedene Bezugssysteme, verschiedene Messwerte.

Ebensowenig wie bei anderen relativen Groessen ist einer der verschiedenen Laengenwerte „exakter“ oder „besser“ oder „richtiger“ als die anderen (oder, umgekehrt, sind alle Werte bis auf einen „Messfehler“). Das ist die Fehlvorstellung, die leider auch in Ihrer letzten Mail wieder zur Sprache kommt. Ironischerweise ist dies eines der Beispiele, die Sie dafuer anfuehren, dass der E-Mail-Wechsel Ihnen bereits einiges an Klaerung gebracht haette. Ich habe aber nie behauptet, dass, um bei Ihrem Zahlenbeispiel zu bleiben, die im Laufen gemessenen 9,9999 cm Laenge „exakter“ seien als die von einem relativ zu dem Objekt ruhenden Beobachter gemessenen 10 cm. Meine Aussage war und ist stattdessen: Darauf beharren zu wollen, eine der gemessenen Laengen sei „exakter“ als die anderen, ist ebenso sinnlos wie in meinem obigen Beispiel behaupten zu wollen, die von Bezugssystem A aus gemessene Geschwindigkeit 50 km/h sei „exakter“ als die vom Bezugssystem B aus gemessene Geschwindigkeit von 30 km/h.

Die Aussage, die Sie mir faelschlicherweise zuschreiben („dass die Laenge eines Objektes, die man im Ruhezustand misst, nicht die exakteste Laenge des Objekts ist, sondern nur eine gute Naeherung in der Praxis“), haben Sie anscheinend auf mir nicht nachvollziehbarem Wege aus einer meiner Aussagen zur relativistischen Geschwindigkeitsaddition abgeleitet. Sie ist aber aus meiner Sicht ebenso sinnlos wie wenn man behaupten wuerde, in meinem obigen Beispiel mit den Relativgeschwindigkeiten sei die Geschwindigkeit von 50 km/h nicht die exakteste Geschwindigkeit des Objekts, sondern nur eine gute Naeherung in der Praxis.

Mit den besten Gruessen,
Markus Poessel

——

Dazu meine Antwort vom 20.10.08:

Von Jocelyne Lopez
An Markus Pössel
Datum: 20.10.08
Betriff: Unser Austausch vom 05./07.10.08

Sehr geehrter Herr Dr. Pössel,

Vielen Dank für Ihre E-Mail vom 19.10.08.
Sie schreiben:

Damit ist es nicht verwunderlich, wenn die von verschiedenen
Bezugssystemen aus gemessenen Werte fuer die Laenge ein und desselben Objekts unterschiedlich sind, genau so wie es nicht verwunderlich ist, dass ein und dasselbe Objekt von einem Bezugssystem A aus die Geschwindigkeit 50 km/h hat, von einem anderen Bezugssystem B aus dagegen die Geschwindigkeit 30 km/h.

Insbesondere ist es kein Widerspruch, dass ein und demselben Objekt viele unterschiedliche Laengenwerte zugeordnet werden, ebenso wenig wie es ein Widerspruch ist, dass unterschiedliche Beobachter ein und demselben Objekt viele unterschiedliche Geschwindigkeitswerte zuordnen.

Über diese Ihre Aussagen haben wir uns gar nicht geeinigt, wie Sie es zu verstehen lassen möchten. Im Gegenteil zu Ihnen sind für mich diese Aussagen sowohl widersprüchlich als physikalisch auch völlig unhaltbar. Ich fasse also noch einmal meinen Standpunkt zusammen:

1) Ein Objekt kann nur eine einzige materielle Länge haben und diese einzige materielle Länge verändert sich nicht bei Messungen. Das haben Sie allerdings auch in Ihrer E-Mail vom 17.08.08 bestätigt: „Die Laengenkontraktion geht nicht mit materiellen Veraenderungen des Koerpers einher„.

Demzufolge kann nur eine einzige materielle Länge eines Objekts physikalisch gültig und in der Physik brauchbar sein: Alle anderen Längen können nicht der materiellen Länge des Objekts entsprechen und sind nur illusorische Meßeffekte. Scheinbare Meßeffekte sind jedoch physikalisch völlig irrelevant. Hier verweise ich z.B. auf eine sehr anschauliche Darstellung des Physikers Peter Ripota, Das Gartenzaun-Paradoxon und auf seine Aussagen, die von jedermann nachvollzogen werden können: „Das Wechseln des Standpunkts macht etwas möglich, was vorher unmöglich war. Aber, ist das Ganze vielleicht nur Illusion? Dann muss auch, aus Symmetriegründen, das Zwillingsparadoxon Illusion sein, und wir brauchen uns um beides keine Gedanken machen. Mit anderen Worten: Wären die Effekte nur scheinbar, wäre auch die Relativitätstheorie überflüssig, denn Physik beschäftigt sich mit Sein, nicht mit Schein.“

Die unendlich vielen verschiedenen Längen eines Objektes, die man durch die Meßvorschrift Albert Einsteins aufgrund unendlich vieler Standpunktwechsel erzielt, sind physikalisch irrelevante Scheineffekte, die materielle Länge des Objekts bleibt nämlich dabei unverändert. Es ist daher unsinnig und unbrauchbar, irgendwelche relativistische Effekte zu berücksichtigen, die Meßvorschrift Einsteins ist ungeeignet, die materielle Länge eines Objektes zu bestimmen. Wir brauchen uns also über diese Effekte überhaupt keine Gedanken zu machen, sie sind in der Physik völlig überflüssig.

2) Zwei zueinander bewegte Objekte können nur eine einzige Relativgeschwindigkeit zueinander haben.

Wenn Sie sich vorstellen, dass zwei zueinander bewegte Objekte zwei oder unendlich viele Relativgeschwindigkeiten zueinander haben können, missverstehen Sie gründlich das Wesen einer Relativgeschwindigkeit und das Wesen einer mathematischen Relation zwischen zwei Zahlen. Hier ist leider keine Diskussionsbasis mehr vorhanden.

3) Die Mathematik der Relativitätstheorie basiert auf einer ungültigen mathematischen Annahme der Art 2 = 3, wie ich in meinem Strandparadoxon versucht habe darzulegen.

Dass dies auch tatsächlich in der Relativitätstheorie offiziell der Fall ist, bestätigt Ihr Kollege Prof. Harald Lesch in einem Lehrvideo für das breite Publikum anlässlich des Einstein-Jahrs 2005, siehe:

Die Physik Albert Einsteins
Annäherungen an Einstein mit Harald Lesch

(Albert Einstein Ausstellung im Deutschen Museum)
Eine Sendereihe des Fernsehsenders BRAlpha im „Einstein-Jahr 2005

Auszüge aus dem Video:
[…]
Es gibt diesen Effekt nicht, den wir aus unserem Leben kennen, dass Geschwindigkeiten sich so addieren. In der Speziellen Relativitätstheorie, wenn man in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit kommt, dann ist 1 und 1 nicht 2, sondern 1 und 1 ist 1. Lichtgeschwindigkeiten addieren sich nicht mehr. Das ist vorbei. Nichts mehr. Gar nichts mehr. Und diese Idee, dass die Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugssystemen konstant ist, die hat Einstein 1905 veröffentlicht, in seinem berühmten Werk „Elektrodynamik bewegter Medien„, ja, da steht der Grund drin, warum mit diesem Apparat etwas nicht gefunden wurde, weil nämlich unsere Vorstellung, unsere naive Vorstellung von Raum und Zeit, dass der Raum die Bühne ist auf der sich alles abspielt, die Zeit praktisch nur so ein fließender Strom ist, das stimmt alles nicht. Wir haben unsere eigene Zeit, die ist abhängig davon wie wir uns bewegen, der Raum verändert sich je nachdem wie wir uns bewegen, wir sind tatsächlich in einem Universum wo Raum und Zeit relative Begriffe sind, wo es keine absolute Größe gibt. Ein Riesending. Und so kann auch man tatsächlich aus dem Begriff des Äthers, dieses betäubende Etwas zu einer ganz ganz neuen Physik kommen, und das verdanken wir nur Albert Einstein, der mal gesagt hat: „Manche Menschen haben einen Horizont, ja, wie ein Kreis vom Radius 0„. Und das ist dann der Standpunkt.
(Prof. Harald Lesch)

Sehr geehrter Herr Dr. Pössel, ich gehöre wohl zu den laut Prof. Lesch von Albert Einstein beschriebenen Menschen, die einen „Horizont wie ein Kreis vom Radius 0 haben„, da mir – wie allerdings Milliarden von anderen Menschen – in der Schule im Mathematikunterricht beigebracht wurde, dass 1 + 1 = 2, und dass 1 + 1 = 1 ungültig und unzulässig ist!

Wenn jedoch diese „neue Mathematik 1 + 1 = 1“ die Idee und die Grundlage der neuen modernen Physik ist, die wir „Albert Einstein verdanken„, dann soll bitteschön die alte Mathematik in den Schulen dringend abgeschafft werden und ab jetzt nur noch die „neue Mathematik 1 + 1 = 1“ gelehrt werden, damit ein paar Milliarden Menschen endlich einen Horizont bekommen, der einen Kreis größer als 0 darstellt.

Wenn jedoch die „alte Mathematik“ noch Gültigkeit behalten und weiter gelehrt  werden sollte, dann muß aber klar und eindeutig kommuniziert werden, schon in den Grundschulen  und gegenüber dem breiten Publikum, dass die Spezielle Relativitätstheorie ihre eigene Mathematik ausnahmsweise haben darf, um ihre meßtechnischen Scheineffekte zu beschreiben.

Es ist aber absolut untragbar und unverantwortlich, dass zwei widersprüchliche und völlig inkompatible Mathematiken an Milliarden von Menschen eine Generation nach der anderen stillschweigend gelehrt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Jocelyne Lopez



Comments

  1. Oktober 20th, 2008 | 10:27

    […]  Austausch mit Herrn Dr. Markus Pössel von 19./20.10.08  […]

  2. Oktober 26th, 2008 | 19:58

    […] erhielt im Zusammenhang mit dem Austausch mit Herrn Dr. Markus Pössel von 19./20.10.08 folgende E-Mail-Antwort: Von Markus Pössel An Jocelyne Lopez Datum: 26.10.08 Betr.: Re: Fragen […]

  3. Oktober 27th, 2008 | 11:25

    […] komme auf meine E-Mail vom 20.10.08 im Rahmen der Korrespondenz mit Herrn Dr. Markus Pössel vom Max-Planck-Institut für […]

  4. November 10th, 2008 | 11:35

    […] zu endlosen Auseinandersetzungen in Forendiskussionen geben, habe ich Sie zum Beispiel in meiner E-Mail vom 20.10.08  auf die einleuchtende Argumentation des Kritikers Peter Ripota im Rahmen seines […]

  5. Februar 27th, 2010 | 08:05

    […] zu endlosen Auseinandersetzungen in Forendiskussionen geben, habe ich Sie zum Beispiel in meiner E-Mail vom 20.10.08  auf die einleuchtende Argumentation des Kritikers Peter Ripota im Rahmen seines […]