Blog – Jocelyne Lopez

Austausch mit Herrn Dr. Markus Poessel vom 21.07.08

Ich beziehe mich auf meine Anfrage vom 17.06.08 Was würde am Strand passieren? an Herrn Dr. Markus Pössel, Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik/ Albert-Einstein-Institut in Potsdam und Redakteur der Seite „Einstein Online„, sowie auf meinen Blog-Eintrag Das Albert-Einstein-Institut ist dran.

Am 21.07.08 erhielt ich folgende E-Mail-Antwort von Dr. Markus Pössel:

Von Markus Pössel
An Jocelyne Lopez
Datum 21.07.08
Betr.: Re: Frage zur Speziellen Relativitätstheorie

Sehr geehrte Frau Lopez,

Direkt zu Ihrer letzten E-mail: meine Bedenken ueber Missverstaendnisse, die sich ergeben koennen, wenn man die Wasserwelle die Sonderrolle von Licht spielen laesst, hatte ich ja bereits geaeussert. Wenn man sich trotzdem auf die Analogie einlaesst und in den Formeln der speziellen Relativitaetstheorie c=70 km/h setzt, dann sind die Rechnungen von Trigemina aus meiner Sicht korrekt.

Allerdings scheinen Sie mir, Ihren Aussagen in dem von „Rechenstunde am Strand“ aus verlinkten Beitrag #728 nach zu urteilen, den folgenden Aspekt von Trigeminas Rechnung misszuverstehen: Die Werte fuer die Orte des Zusammentreffens (x1, x2, x3, …), die Trigemina ausrechnet, sind keineswegs nur in der klassischen Physik gueltig. Die spezielle Relativitaetstheorie verwendet die gleichen Formeln, um innerhalb eines gegebenen Bezugssystems, hier des Strand-Systems, zu berechnen, wie schnell z.B. der Abstand zwischen dem bewegten Beobachter A und der Welle abnimmt.

Erst beim Uebergang vom einen zu einem anderen Bezugssystem weichen die klassischen und die relativistischen Formeln voneinander ab, also beispielsweise wenn man ausrechnen will, welche Geschwindigkeit die Welle *im Bezugssystems des Beobachters A* hat (das, nicht die Abstandsaenderung in irgendeinem externen Bezugssystem, ist gemeint, wenn im Rahmen der speziellen Relativitaetstheorie von der „Geschwindigkeit der Welle relativ zum Beobachter A“ oder, kuerzer, der „Relativgeschwindigkeit von der Welle und A“ die Rede ist). Dabei kommen automatisch die bekannten relativistischen Effekte (Laengenkontraktion, Zeitdilatation, Relativitaet der Gleichzeitigkeit) ins Spiel und fuehren insbesondere dazu, dass Beobachter A fuer die Welle eine Geschwindigkeit von 70 km/h misst, obwohl der Abstand zwischen den beiden vom Strandsystem aus gemessen mit 70+3=73 km/h abnimmt.

Ihre Kritikpunkte in Ihrem Text „Mathematik als Schrott“ halte ich aus den folgenden Gruenden fuer nicht stichhaltig:

zu 1): Beobachter A und C haben eben nicht genau gleiche Parameter. In jedem Bezugssystem (sei es dem Ruhesystem des Strandes oder dem Bezugssystem von A, B, C oder D) haben A und C unterschiedliche Geschwindigkeiten. Und in seinem eigenen System erhaelt jeder der Beobachter A, B, C, D fuer seinen Abstand zur Wasserwelle, gemessen zum Startzeitpunkt, einen anderen Wert. Das ergibt sich direkt aus den Formeln der Lorentztransformation (siehe Trigeminas Rechnung).

Sie scheinen mir „die gleiche Geschwindigkeit zur Welle haben“ einmal im Sinne einer Relativgeschwindigkeit, gemessen von den Beobachtern A, B, C, D selbst, zu verwenden (denn nur dabei kommt fuer jeden der Beobachter separat 70 km/h heraus), dann aber wieder im Sinne einer im Strandsystem gemessenen Geschwindigkeitsdifferenz (denn nur damit funktioniert der Schluss von im Strandsystem gleichem Startzeitpunkt und gleichem Startabstand darauf, dass die Beobachter nicht zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten erreicht werden). Dass eine solche fehlerhafte Gleichsetzung ungleicher Groessen zu Widerspruechen fuehrt, sollte nicht verwundern.

zu 2): ditto.

zu 3): Die „gestrichenen Werte“ x2′, x3′, x4′ und x5′ beziehen sich auf die Bezugssysteme der Beobachter A, B, C und D. Jeder dieser Beobachter sitzt im Nullpunkt seines eigenen, relativ zum Strand bewegten, Koordinatensystems. (Strenggenommen haette Trigemina jede der Koordinaten anders kennzeichnen muessen, da es sich um Koordinatenwerte in vier verschiedenen Bezugssystemen handelt.) Dass z.B. Beobachter A und die Welle am Ort x2’=0 zusammentreffen, heisst nichts anderes, als dass der von A gemessene Abstand der Welle zu ihm selbst an dem Zeitpunkt, wo die beiden zusammentreffen, gleich Null ist. Das ist nun einmal die Definition von „zusammentreffen„. Diese Definition bewegter Koordinatensysteme ist, nebenbei bemerkt, keine Besonderheit der relativistischen Physik – auch in der klassischen Physik mit ihren Galilei-Transformationen ruht jeder Beobachter per Definition in seinem eigenen Bezugssystem, konventionellerweise in dessen Nullpunkt.

zu 4): siehe 1) und 2) – die Bewegungsparameter sind mitnichten gleich.

Mit den besten Gruessen,
Markus Poessel

—-

Meine Antwort per E-Mail am selben Tag:

Von Jocelyne Lopez
An Dr. Markus Pössel
Datum: 21.07.08
Betr.: Frage zur Speziellen Relativitätstheorie
Meine Anfrage vom 17.06.08
Ihre Antwort vom 30.06.07
Meine Rückfrage vom 01.07.08
Meine Rückfrage vom 12.07.08
Ihre Antwort vom 21.07.08

Sehr geehrter Herr Dr. Pössel,

Vielen Dank für Ihre heutige ausführliche Antwort.

Gleich zu dem wesentlichen Punkt unserer Meinungsverschiedenheiten:

Ihre Aussage:

Sie scheinen mir „die gleiche Geschwindigkeit zur Welle haben“ einmal im Sinne einer Relativgeschwindigkeit, gemessen von den Beobachtern A, B, C, D selbst, zu verwenden (denn nur dabei kommt fuer jeden der Beobachter separat 70 km/h heraus), dann aber wieder im Sinne einer im Strandsystem gemessenen Geschwindigkeitsdifferenz (denn nur damit funktioniert der Schluss von im Strandsystem gleichem Startzeitpunkt und gleichem Startabstand darauf, dass die Beobachter nicht zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten erreicht werden). Dass eine solche fehlerhafte Gleichsetzung ungleicher Groessen zu Widerspruechen fuehrt, sollte nicht verwundern.


bedarf einer Ausräumung von Missverständnissen.

Die in meinem Gedankenexperiment definierte Geschwindigkeit der Welle 70 km/h relativ zum Strand ist ja ausgerechnet per Postulat auch gleich der Geschwindigkeit relativ zu allen bewegten Beobachtern. Darum geht es ja die ganze Zeit bei diesem „kontra-intuitiven“ Postulat und bei dieser „kontra-intuitiven“ Welle. Ich kann auch nichts dafür, das hat ja Albert Einstein postuliert und für seine Herleitungen zugrunde gelegt, ich doch nicht:

Alle bewegten Beobachter messen die gleiche Geschwindigkeit c zu einem Lichtstrahl, unabhängig von ihren eigenen Geschwindigkeiten, genau analog mit der Konstellation in meinem Gedankenexperiment, wo alle bewegten Beobachter die gleiche Geschwindigkeit 70 km/h zur Wasserwelle messen, unabhängig von ihren eigenen Geschwindigkeiten.

Die von Ihnen mit Recht als „fehlerhafte Gleichsetzung“ bezeichnete Definition liegt demzufolge überhaupt nicht an mir, sondern eben am Postulat. Und – wie Sie es selbst erkennen – kann es nicht verwundern, wenn dieses Postulat auf jeden Fall zu Widersprüchen führt, denn es basiert auf mathematisch unzulässigen und ungültigen Gleichungen (z.B. in meinem Gedankenexperiment 70=70+3 oder 70=70+8 oder 70=70-10). Solche ungültigen bzw. unzulässigen Prämissen führen zwangsläufig zu Widersprüchen! Sie können nicht den Anspruch erheben, die Wirklichkeit zu beschreiben. Alle Bemühungen, diese ungültigen und unzulässigen Gleichsetzungen mathematisch durch irgendwelche Transformationen zu beschreiben, müssen nicht weiter beachtet werden, sie sind selbst unzulässig und rütteln am Fundament der Mathematik, genauso wie es unzulässig wäre „beweisen“ zu wollen, dass 2 = 3. Dieses Postulat ist demzufolge mathematisch ungültig und unzulässig.

Die relativistische Transformation bedarf also keiner weiteren Beachtung, sie ist nur ein illusorischer Versuch, das mathematisch und physikalisch Unzulässige mit irgendwelchen leeren oder fehlerhaften Formeln zu „beweisen„. Dazu verweise ich zum Beispiel auf die zurzeit 16 Kommentare zu meinem Blog-Eintrag 2008, Jahr der Mathematik oder des Mathematismus?

zum Beispiel Albert Einstein selbst:

„Soweit sich die Gesetze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher; soweit sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit“- Rede vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin, 27. Januar 1921

„Seit die Mathematiker über die Relativitätstheorie hergefallen sind, verstehe ich sie selbst nicht mehr.“

„Mathematik ist die perfekte Methode, sich selbst an der Nase herum zu führen.“

„Mach‘ dir keine Sorgen wegen deiner Schwierigkeiten mit der Mathematik. Ich kann dir versichern, dass meine noch größer sind.“ [zu einem Kind]

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Oder zum Beispiel auch :

Transformationen als Gaukler
Der Zirkus der Mathematik hält einige Taschenspielertricks bereit, die sich nicht leicht durchschauen lassen und oft für bare Physik genommen werden. Theimer (1977) zitiert Melchior Palágyi: „Mathematik schützt vor Torheit nicht„. Und was dabei herauskommt, ist Mathematismus, zur Formel erstarrte Pseudo-Physik. (Georg Galeczki / Peter Marquardt)

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Mein Fazit:

Es ist aus meiner Sicht ein Denkfehler Ihrerseits, den von Ihnen erkannten gravierenden Widerspruch, der jedoch grundsätzlich selbst im Postulat Einsteins durch die unzulässige Gleichsetzung ungleicher Größen vorhanden ist, mir zuschreiben zu wollen.

Mit freundlichen Grüßen
Jocelyne Lopez



Comments

  1. Juli 24th, 2008 | 09:28

    […] Austausch mit Herrn Dr. Markus Poessel vom 21.07.08 […]

  2. Juli 25th, 2008 | 15:23

    […] ungleicher Größen, die im Postulat der Invarianz der LG zu bewegten Beobachtern steckt (siehe Austausch mit Herrn Dr. Markus Pössel vom 21.07.08) hat Einstein einen weiteren grundsätzlichen Fehler in seine SRT eingebaut, und zwar eine grobe […]

  3. Juli 26th, 2008 | 07:28

    […] erhielt am 24.07.08 folgende Antwort auf meine E-mail an Dr. Markus Pössel vom 21.07.08: Von Markus Pössel An Jocelyne Lopez Datum 24.07.08 Re: Frage zur Speziellen […]

  4. September 28th, 2008 | 15:52

    […] 21.07.08 Austausch mit Herrn Dr. Markus Poessel vom 21.07.08 […]

  5. Oktober 26th, 2008 | 20:22

    […] auf die von vornherein als konstant postulierte Geschwindigkeit der Welle. Ihre Aussagen, siehe Ihre E-Mail vom 21.07.08: “Wenn man sich trotzdem auf die Analogie einlaesst und in den Formeln der speziellen […]

  6. Oktober 29th, 2008 | 12:04

    […] Pössel in der aktuell laufenden Korrespondenz bestätigt, in seiner E-Mail vom 21.07.08 (siehe in diesem Blog): Wenn man sich trotzdem auf die Analogie einlaesst und in den Formeln der speziellen […]

  7. November 5th, 2008 | 10:03

    […] Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik und Redakteur der Webseite Einstein Online in seiner E-Mail vom 21.07.08 bestätigt hat, dass die Ergebnisse der relativistischen Geschwindigkeitsaddition in diesem […]

  8. März 9th, 2010 | 08:36

    […] mit einer Wasserwelle akzeptiert und dabei die relativistischen Berechnungen aus seiner Sicht als „korrekt“ bezeichnet […]

  9. April 28th, 2010 | 08:46

    […] Eine per Postulat als konstant zu allen Beobachtern angenommene Wasserwelle bewegt sich mit c=70 km/h geradlinig, gleichförmig und frontal in Richtung von 4 Beobachtern, die wiederum mit verschiedenen Eigengeschwindigkeiten geradlinig, gleichförmig und frontal sich relativ zur Welle am Strand bewegen und zum gleichen Zeitpunkt 0 starten. Die Analogie mit einem zu allen Beobachtern konstant postulierten Lichtstrahl wie in der SRT hatten Sie seinerzeit prinzipiell akzeptiert. Wir haben also eine Konstellation von Relativbewegungen zwischen jeweils 2 Objekten, wo keins der beiden Objekte relativ zum Anderen ruht, sondern wo beide Objekte sich jeweils mit Eigengeschwindigkeiten relativ zueinander  bewegen: Die Welle bewegt sich eigenständig zu den Beobachtern, wobei die Beobachter wiederum sich auch eigenständig zur Welle bewegen. Sie schreiben darüber in Ihrer E-Mail vom 21.07.08:   […]

  10. Juli 10th, 2010 | 07:21

    […] Zusammentreffens der Welle mit den Beobachtern als “korrekt” bezeichnet hat (siehe hier). Die Spezielle Relativitätstheorie ist also nach Dr. Markus Pössel vom Albert Einstein Institut […]

  11. Juli 18th, 2010 | 16:47

    […] dass Dr. Markus Pössel meine Analogie zwischen einer Wasserwelle und einer Lichtwelle in meinem Strandgedankenexperiment akzeptiert und die Berechnungen von Trigemina für die relativistischen Vorhersagen des jeweiligen […]

  12. Januar 30th, 2011 | 08:47

    […] Zitat von Dr. Markus Pössel – 21.07.08: meine Bedenken ueber Missverstaendnisse, die sich ergeben koennen, wenn man die Wasserwelle die Sonderrolle von Licht spielen laesst, hatte ich ja bereits geaeussert. Wenn man sich trotzdem auf die Analogie einlaesst und in den Formeln der speziellen Relativitaetstheorie c=70 km/h setzt, dann sind die Rechnungen von Trigemina aus meiner Sicht korrekt. […]

  13. Februar 1st, 2011 | 11:33

    […] Zitat von Dr. Markus Pössel – 21.07.08: meine Bedenken ueber Missverstaendnisse, die sich ergeben koennen, wenn man die Wasserwelle die Sonderrolle von Licht spielen laesst, hatte ich ja bereits geaeussert. Wenn man sich trotzdem auf die Analogie einlaesst und in den Formeln der speziellen Relativitaetstheorie c=70 km/h setzt, dann sind die Rechnungen von Trigemina aus meiner Sicht korrekt. […]

  14. Februar 3rd, 2011 | 08:24

    […] Zitat von Dr. Markus Pössel – 21.07.08: meine Bedenken ueber Missverstaendnisse, die sich ergeben koennen, wenn man die Wasserwelle die Sonderrolle von Licht spielen laesst, hatte ich ja bereits geaeussert. Wenn man sich trotzdem auf die Analogie einlaesst und in den Formeln der speziellen Relativitaetstheorie c=70 km/h setzt, dann sind die Rechnungen von Trigemina aus meiner Sicht korrekt. […]

  15. März 8th, 2011 | 11:25

    […] Jedoch wurde mir auch widersprüchlicher Weise von einer überzeugten Relativistin „Trigemina“ aus denselben Kreisen wiederum mit denselben Zahlenbeispielen ausgerechnet, dass die Koordinaten der bewegten Beobachter sehr wohl variable sind, was sich logisch mit der von ihrem Kollegen Michael Hammer-Kruse ausgerechneten Invarianz der Relativgeschwindigkeit des Lichts zu bewegten Beobachtern nicht verträgt. Diese unlogische und widersprüchliche Berechnung der Teilnehmerin Trigemina wurde mir jedoch im Rahmen desselben Gedankenexperiments ausdrücklich von einem Experten der Relativitätstheorie vom Albert Einstein Institut, Dr. Markus Pössel, als „korrekt“ bestätigt (siehe hier).  […]

  16. Mai 18th, 2011 | 08:33

    […] 21.07.08 – Zitat Dr. Markus Pössel: […]

  17. Juni 7th, 2011 | 08:43

    […] 21.07.08 – Zitat Dr. Markus Pössel:  zu 3): Die “gestrichenen Werte” x2?, x3?, x4? und x5? beziehen sich auf die Bezugssysteme der Beobachter A, B, C und D. Jeder dieser Beobachter sitzt im Nullpunkt seines eigenen, relativ zum Strand bewegten, Koordinaten-systems. […]

  18. Juni 18th, 2011 | 06:23

    […] 21.07.08 – Zitat Dr. Markus Pössel: zu 3): Die “gestrichenen Werte” x2?, x3?, x4? und x5? beziehen sich auf die Bezugssysteme der Beobachter A, B, C und D. Jeder dieser Beobachter sitzt im Nullpunkt seines eigenen, relativ zum Strand bewegten, Koordinaten-systems. […]

  19. Juli 23rd, 2011 | 19:05

    […] 21.07.08 – Zitat Dr. Markus Pössel: Die “gestrichenen Werte” x2?, x3?, x4? und x5? beziehen sich auf die Bezugssysteme der Beobachter A, B, C und D. Jeder dieser Beobachter sitzt im Nullpunkt seines eigenen, relativ zum Strand bewegten, Koordinatensystems. […]