Blog – Jocelyne Lopez

Peter Ripota: Physik der Wunder

Es war einmal … so beginnt jedes Märchen. Und die Geschichte der Relativitätstheorie, ebenso wie diese selbst, übertrifft an Seltsamkeiten jedweges Märchen. Also: Es war einmal ein großer Ritter, der besiegte eines Tages einen furchtbaren Drachen namens „Äther“. Namenlosen Terror hatte dieser Drache über die Gemeinde der Gelehrten gebracht. Er hatte sie genarrt, indem er sich ihnen entzog, als sie sicher waren, ihn eingesperrt zu haben. Er hatte sich ihnen als federleichtes Wesen gezeigt, unsichtbar, von niemandem wahrgenommen – und gleichzeitig als stählernes Ungeheuer, fester als tausend Eisenstäbe, ineinander gepresst. Doch der mutige Ritter namens Albert hatte eine neue Theorie entwickelt und aus dieser den Drachen durch seine Zaubersprüche ein für alle Mal verbannt.

Da wagte es einer seiner unwichtigen Knappen, einen kleinen Einwand zu erheben. Paul Ehrenfest hieß der kecke Knabe, und er hatte die Kühnheit zu behaupten, es gäbe da in des Großen Ritters Genialer Theorie eine kleine Unebenheit. Eine Scheibe, die sich drehe – so der Knappe – eine solche Scheibe könne nämlich gar nicht existieren. Der Große Ritter war schockiert, denn es stimmte. Er veröffentlichte in einer Fachzeitschrift ein paar Gegenargumente, verschaffte dem Knappen den begehrten Posten eines Professors in den Niederlanden, die beiden wurden Freunde, und das war’s. Seine Entdeckung, Ehrenfestsches Paradoxon genannt, wurde fortan in den Büchern über des Großen Ritters Theorie nicht mehr erwähnt.

Werden wir wieder realistisch. Was hat es mit Ehrenfests Scheibe auf sich? Alles, was sich bewegt, zieht sich nach den Regeln der Relativitätstheorie zusammen („Längen-Kontraktion“). Das gilt natürlich auch für den gesamten Umfang einer Scheibe, wenn sie sich rasch dreht. Wenn der Umfang, also das Rad, kleiner wird, müsste sich die Scheibe verbiegen, was man aber verhindern kann, wenn man statt der Scheibe einen langen Zylinder aus einem festen Material nimmt. Wie aber kann sich etwas verbiegen, ohne sich zu verbiegen?

Darauf gibt es nur eine vernünftige Antwort: Es geht nicht, die Theorie ist Unsinn. Doch Einstein und seine Verehrer fanden eine andere, völlig groteske Lösung:

Es gibt keine starren Körper.

Natürlich glaubt das niemand, denn der alltägliche Augenschein überzeugt selbst einen Blinden, dass starre Körper wie Felsen oder Gläser existieren. Schlimmer noch: Die gesamte Spezielle Relativitätstheorie stützt sich darauf, dass es starre Körper gibt! „Starrer Körper“ ist derjenige Ausdruck, den Einstein am häufigsten verwendet. Diese Körper dienen als Maßstäbe, ohne sie geht nichts.

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Das Absurde der Speziellen Relativitätstheorie geschieht durch Wechsel des Standpunkts: Bin ich bewegt, stehst du still, bin ich still, bewegst du dich. Die Effekte gelten aber auf jeden Fall, egal ob bei dir oder bei mir. Das Wechseln des Standpunkts macht etwas möglich, was vorher unmöglich war. Um das Wunderbare – oder Absurde – der Situation ganz deutlich zu machen, stellen Sie sich folgendes vor: Sie hocken ganz friedlich am Tresen Ihrer Lieblingsbar, und plötzlich kommt so ein Kerl daher und macht Stunk. Er provoziert Sie, wie auch immer. Doch Sie lassen sich nicht einschüchtern und behaupten kühn, Sie könnten ihn mit dem kleinen Finger Ihrer linken Hand in die Luft heben. Er lacht sich kaputt, aber sie sagen, Sie müssten nur „den Standpunkt wechseln“. Sie gehen also ein halbes Mal um ihn herum, setzen sich noch eine Brille auf (möglichst eine in rosa) – und schwupp, schon ist der Kerl so leicht, dass Sie ihn ohne weiteres mit dem kleinen Finger hochheben können.

Ein Wunder? In der Tat! Warum nur hat Einstein seinem Fantasiegebilde einen so langweiligen Namen gegeben und dieses nicht einfach „Physik der Wunder“ getauft?

(Peter Ripota)