Blog – Jocelyne Lopez

Tierversuche können sofort abgeschafft werden, ohne jeglichen Nachteil für das Leben von Menschen und Tieren

Ich verweise auf die Diskussion Paul Celan: Die Todesfuge im Forum zeitwort.at, die sich zu einem Meinungsaustausch über Veganismus und Vegetarismus entwickelt hat und gebe einige Austausche wieder:

 

06.06.09 – Zitat von Jocelyne Lopez:

Mein Problem beim Verzicht auf Fleisch ist nicht individuell. Ich könnte von heute auf morgen darauf verzichten, das würde mir nicht schwer fallen, überhaupt nicht (anders ist es mit rauchen…). Ich kann mir aber auf der Ebene einer ganzen Bevölkerung nicht vorstellen, dass es die Massentierhaltung verhindern könnte: Allein um täglich eine Bevölkerung von 80 Millionen Menschen in Deutschland mit Milchprodukten zu versorgen (und darauf verzichten die Vegetarier nicht) ist zwangsläufig eine Massentierhaltung von Kühen notwendig, und dadurch auch zwangsläufig eine Schlachtung der männlichen Tiere (die wie bei uns Menschen zu 50/50 geboren werden). Wir haben in Europa keine riesige Pampa, wo wir die Tiere bis zu ihrem natürlichen Tod frei leben lassen könnten. Wir haben ja auch in Europa sozusagen eine „Massenmenschenhaltung„, die jeden Tag ohne einen einzigen Tag Unterbrechung von den Bauern versorgt werden muss. Keine leichte Leistung… Fleischproduktion ist auch bei uns lediglich ein Nebenprodukt der Milchproduktion. Wer Milchprodukte verzehrt nimmt also zwangsläufig teil an der Massentierhaltung und an der Schlachtung von Tieren. Deshalb sind auch manche Vegane gegenüber Vegetariern feindselig eingestellt: sie nehmen durch den Verzehr von Milchprodukten teil an den „Mord“ an Tiere.

Die kollektive Umstellung einer ganzen Bevölkerung von 80 Millionen Menschen auf rein pflanzliche Ernährung (vegane Ernährung) würde wiederum solche Umwälzungen im Ökosystem des Landes verursachen (Agrarfläche sind keine Natur, weit verfehlt, sondern ausgerechnet das Gegenteil von Natur, und die betragen schon jetzt die überwiegende Mehrheit der Fläche des Landes, wobei sie auch kaum zu erweitern sind), dass ich davon überzeugt bin, dass kein Mensch die Konsequenzen einer solchen Umwälzung überhaupt überblicken und die Verantwortung dafür übernehmen kann, auch die Fachexperte nicht. Ich könnte persönlich auf keinen Fall diese Verantwortung übernehmen, ich bin damit restlos überfordert. Ich weiß nur, dass die letzte Hungernot in Europa nicht in Mittelalter geschah, sondern vor kaum 150 Jahren und schätzungsweise eine Million Todesopfer gefordert hat, sowie die Auswanderung von unzähligen Menschen: Die Hungernot in Irland aufgrund einer Kartoffelseuche. Und damals war die Bevölkerungszahl um ein Vielfaches niedriger als heute. Welche Regierung könnte heute die Verantwortung übernehmen 80 Millionen Menschen auf rein vegetarische Ernährung umzustellen und so einen Eingriff im Ökosystem des Landes vorzunehmen? Diesen Zauberlehrling möchte ich hier nicht spielen.

Die Lösung ist in meinen Augen prioritär in humanen Lebensbedingungen für die Tiere und humane Schlachtung zu suchen, und vor allem auf eine bessere flächenmässige Verteilung der pflanzlichen- und tierischen Nahrungsmittelproduktion: Wir haben in erweiterter (Ost)Europa auch riesige freie Fläche, wo zum Beispiel eine extensive und artgerechte Haltung von Rindern ähnlich wie in Argentinien möglich wäre, und die ethisch-moralisch zu vertreten ist. Europa muß zusammenwachsen, zum wohl der Menschen und der Tiere.

 

07.06.09 – Zitat von saurau:

ja das ist auch verdammt schwer. nicht nur eine ganze nationalbevölkerung, sondern gleich sich selbst umzustellen. ich würde insgeheim auch den augenblick bejubeln, an dem die menschheit feststellt, dass fleischliche gegenüber veganer bzw. teilweise vegetarischer ernährung global gesehen ökologischer ist. obwohl… umgekehrt würd ich wahrscheinlich lauter jubeln. wenn du dir vor augen hältst, was für unmengen an pflanzlicher kost notwendig sind, um ein tier schlachtreif zu machen, denkst du vielleicht anders. und… ich persönlich würd erst dann schlachten, wenn es um mein überleben geht.

 

07.06.09 – Zitat von Jocelyne Lopez:

Es geht eben um Überleben, für Millionen von Menschen, das habe ich weiter oben mit meinen eigenen Überlegungen (wie Du es angeregt hast) versucht darzustellen. So oder so müssen Millionen und aber Millionen Einwohner Mitteleuropas auf einer winzigen Fläche zusammengepachtet mit mindestens je 2000 kal pro Tag ohne Unterbrechung versorgt werden. Ohne tierische Nahrungsmittel, die für uns in kleinen Mengen sehr nahrhaft sind, müssten wir die pflanzliche Produktion verdoppeln oder verdreifachen, weil unsere Biologie pflanzliche Nahrung nicht optimal verwerten kann. Wo und wie soll man die Getreideproduktion bei uns verdoppeln oder verdreifachen? Auf welchen Flächen? Wäre es Natur? Wäre es ein Lebensraum für freie lebende Tiere?

Die Ureinwohner Nordamerikas haben zum Beispiel auch nur durch Fleischverzehr überlebt, sie hatten keine Landwirtschaft. Und sie hatten kulturell große Achtung vor Tieren. Das Verhältnis für ein naturgerechtes bzw. naturbedingtes Gleichgewicht war aber ganz anders: Vielleicht 5 Menschen pro Quadratkilometer? Nicht mal? Wir haben in Mitteleuropa die höchste Bevölkerungsdichte der ganzen Welt, mit Zahlen wie 300 Menschen pro Quadratkilometer!!! Derjenige, der mir erzählen will, er kann ihre Nahrungsmittelversorgung nur rein pflanzlich garantieren, in dem er dabei Lebensbedingungen für frei lebende Tiere schafft, den würde ich kein Wort glauben. Träumen kann ich selbst.

 

07.06.09 – Zitat von saurau:

und nochwas: ich versteh jeden, der tiere isst. ich hab was gegen militanz jeglicher art.

 

07.06.09 – Zitat von Jocelyne Lopez:

Deshalb kann ich mich auch nicht gegen Massentierhaltung militantisch engagieren, ich kann nur stillschweigend darunter leiden und auch die Menschen unterstützen, die die Bedingungen für die Massentierhaltung verbessern wollen. Ich überblicke aber das gesamte Problem persönlich nicht, ich könnte keine Umstellung einer Bevölkerung verantworten. Hier habe ich die Haltung, die ASY uns (und mir) mit der Verlinkung eines Textes empfohlen hat:

Überlebensregeln gegen das Unrecht
Vermeiden Sie also, beschuldigend mit einem Finger auf andere zu zeigen. Schreiben Sie nie: „X ist schuld, dass…“ In Wahrheit degradieren Sie sich selbst mit einer solchen Formulierung zu einem Nichts und erhöhen den, den Sie anklagen, zu einem Alles. Denken Sie einmal darüber nach! Dieselbe Regel gilt für alles, was Hass in anderen Menschen fördert. Zu Beginn meiner Schreiberkarriere, als Vieles noch neu und die Wut in mir frisch war, glaubte ich noch an Schuldige. Heute denke ich in Begriffen von ethischem und unethischem Verhalten, denke daran was ich tun kann, um den kein jenigen, die sich der Unethik hingeben zu helfen, davon abzulassen. Ich muss nicht mehr beschuldigen, denn es ist meine Welt, es sind meine Zustände […]

Regel Nr. 8 – Tun Sie nur Dinge, hinter denen Sie voll und ganz stehen
Es gibt diese eine Regel, die allen anderen übergeordnet ist. Gutes Verhalten ist nicht braves Verhalten, nicht dieses oder jenes, es bedeutet auch nicht, still, taten- bzw. tadellos in der Ecke zu sitzen.

Hinter der Abschaffung von Tierversuchen, die nicht nur grausam und unverantwortlich gegenüber Tieren, sondern auch nutzlos für die Humanmedizin sind, stehe ich voll und ganz. Sie können von heute auf morgen abgeschafft werden, ohne jeglichen Nachteil für das Leben von Menschen und Tieren und ohne neue Problemverursachungen, die nicht zu überblicken sind.

 (Jocelyne Lopez)