Blog – Jocelyne Lopez

Robert Laughlin: Der Urknall ist nur Marketing

Ein Interview des Physik-Nobelpreisträgers Robert Laughlin mit der Zeitschrift „DER SPIEGEL“ vom 31.12.2007:

Der Urknall ist nur Marketing
Nachstehend einige Auszüge aus diesem Interview:

Der Physik-Nobelpreisträger Robert Laughlin über den Irrglauben an eine Weltformel, schwarze Magie in der Wissenschaft und das Ende der Teilchenforschung
[…]
Laughlin: Die Teilchenphysiker mögen interessante Ergebnisse zutage gefördert haben. Aber all ihre Experimente wurden ja nicht aus philosophischen Gründen durchgeführt. Niemand gibt so viel Geld für Philosophie aus. Der wahre Grund, die Beschleuniger zu finanzieren, lag darin, sich gegen neuartige Waffen zu versichern. Im Kalten Krieg konnten die Regierungen es nicht riskieren, dass sich etwas entwickelt, das sie nicht unter Kontrolle hatten.

SPIEGEL: Der Beschleuniger am Cern bei Genf ist also aus Angst gebaut worden?

Laughlin: Exakt. Und nun schwindet diese Angst. Deshalb prophezeie ich, dass es in der nächsten Generation sehr schwer wird, noch Geld für Beschleuniger zu kriegen. Ich sage Ihnen: Die enormen Beträge, die solche Experimente kosten, werden nicht als Almosen für Physiker gezahlt. Die Leute, die solche Entscheidungen treffen, wollen nicht Geld fürs Wohl der Menschheit ausgeben. Sie wollen wiedergewählt werden. Und die Landesverteidigung ist nun einmal für jede Regierung dieser Welt eine wesentliche Aufgabe.
[…]
SPIEGEL: War der Ärger über die StringForscher ein Anstoß für Ihr Buch?

Laughlin: Den Anstoß hat ein Foto in einer deutschen Zeitschrift gegeben. Zu sehen waren lauter String-Forscher, und es hieß, das seien die klügsten Leute der Welt … […] Das hat mich verrückt gemacht, als ich es gesehen habe. Keine einzige Behauptung von diesen Typen ist durch ein Experiment gedeckt. Nicht ein einziger hat irgendetwas gesagt, das wahr ist! Und der König von allen ist er hier, Stephen Hawking. Ich habe gehört, dass ihm Frauen Babys bringen, damit er sie berührt. Dieser Mann hat einen Weg gefunden, sich zur kulturellen Ikone zu machen. Was für ein Typ! Da kann man nur sagen: Ja, insofern ist der wirklich einer der klügsten Leute.
[…]
Ich weiß nicht, welches Glaubenssystem das beste ist, um in der Wissenschaft Fortschritte zu machen. Aber eines weiß ich ganz sicher: Egal, was Sie glauben, am Ende müssen Sie sich fragen: Mit welchem Experiment könnte ich beweisen, dass meine Lieblingsidee falsch ist. Und erst wenn dieses Experiment scheitert, haben Sie eine Chance, richtig zu liegen. Und genau das fällt schwer. Denn nicht selten hängt Ihre Karriere von der Richtigkeit Ihrer Idee ab.

SPIEGEL: Aber wird in der Wissenschaft nicht letztlich jede Idee einem solchen Test unterzogen, wie Sie ihn fordern?

Laughlin: Von wegen. Nehmen Sie nur den Fall des Wissenschaftsbetrügers Jan Hendrik Schön …

SPIEGEL: … dessen Betrug ja aufgeflogen ist.

Laughlin: … aber nur, weil jemand in seinem Labor geplaudert hat. Es gab da ein Problem, und das hatte absolut nichts mit ihm zu tun. Es ist das Problem von Firmen, die unter wirtschaftlichem Druck stehen. Da tun oder sagen Leute praktisch alles, nur um nicht gefeuert zu werden. Denn die Wahrheit kann beruflicher Selbstmord sein. Deshalb darf man wissenschaftlichen Aussagen, die in einer solchen Situation gemacht werden, niemals trauen.

SPIEGEL: Jetzt reden Sie von einem sehr kleinen Teil des Wissenschaftsbetriebs …

Laughlin: Überhaupt nicht. Meine persönliche Erfahrung sagt mir, dass wir es hier mit einem erschreckend weitverbreiteten Phänomen zu tun haben. Und es gibt sehr viele Wege, die Unwahrheit zu sagen. Zum Beispiel kann es reichen, wahre Dinge zu sagen, die aber irrelevant sind. Es gibt Massen von Experimenten, die schlicht nicht testen, was sie zu testen vorgeben. Oder man behauptet, herausgefunden zu haben, was alle ohnehin glauben. Dann können Sie ziemlich sicher sein, dass es niemand in Zweifel ziehen wird.

In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf weitere Interviews mit DER SPIEGEL (44/1999):

Hans Grassman
Sperrt das Desy zu!

Der Teilchenbeschleuniger Desy bei Hamburg, der jedes Jahr 250 Millionen Mark verschlingt, liefert nur irrelevante und langweilige Ergebnisse – ein Musterbeispiel wie die moderne Physik den Laien für dumm verkauft.

sowie DER SPIEGEL (49/1999)

Spiegel-Streitgespräch
Am Ende der Aufklärung?
Die Teilchenforscher Harald Fritzsch und
Hans Graßmann über den Nutzen des Desy und die Zukunft der Physik



Comments

  1. Februar 2nd, 2008 | 09:42

    […] Siehe auch ein Interview von Robert Laughlin mit der Zeitschrift „DER SPIEGEL”: Der Urknall ist nur Marketing […]

  2. Mai 19th, 2008 | 17:01

    […] – Nobelpreisträger Robert Laughlin: Der Urknall ist nur Marketing […]

  3. Oktober 14th, 2009 | 07:28

    […] Vermarktung der Theorie in die breite Öffentlichkeit: Die wahren “cranks” der Physik haben eine ganz junge Kundschaft Nobelpreisträger Robert Laughlin: Der Urknall ist nur Marketing […]