31. Oktober 2017
Natürlich gehört der Islam zu Deutschland.
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Anläßlich einer Diskussion bei Facebook habe ich mich schon vor einem Jahr mit einer Teilnehmerin ausgetauscht, die sich darüber geärgert hat, dass Christian Wulff nicht in der Lage sei, der Bevölkerung eine Erklärung über seine Aussage abzugeben, dass der Islam zu Deutschland gehöre.
Ich habe mich wiederum sehr darüber gewundert, dass man eine Erklärung für diese Aussage von Christian Wulff erwartet. Man braucht eine Erklärung von niemandem darüber zu erwarten, das steht doch in der deutschen Verfassung, warum der Islam zu Deutschland gehört, das steht in der Verfassung aller europäischen Rechtsstaaten, das steht in der internationalen Erklärung der Menschenrechte, die Deutschland seit langem anerkannt hat: Jedem Mensch steht das Grundrecht zu, einer Religion anzugehören und sie auszuüben: Artikel 3 Grundgesetz.
Natürlich gehört der Islam zu Deutschland, wie alle anderen Religionen auch. Man kann auch nicht in Deutschland von einem Ausländer verlangen, dass er sich allen Pflichten der Verfassung seines Gastlandes unterwirft, ohne ihm zu garantieren, alle Grundrechte der Verfassung in Anspruch nehmen zu dürfen, das geht nicht. Und es gilt nun mal in unseren europäischen Rechtsstaaten Religionsfreiheit, für jeden einzelnen Mensch und für jede einzelne Religion.
Ich habe jedoch als Französin, als ich nach Deutschland zog, ein paar Überraschungen hinsichtlich Religionsfreiheit erlebt. In Frankreich gilt nämlich seit der französischen Revolution nicht nur Religionsfreiheit, sondern auch eine absolut strenge Trennung des Staats und der Kirche, absolut streng: Staat und Kirche haben in Frankreich gar keine Berührungspunkte, sie dürfen auch keine haben, es gilt strenge Laizität. Religion ist ein privates Grundrecht, eine rein private Angelegenheit, die dem Staat mit nichts angeht.
Als ich in Deutschland meinen ersten Arbeitsvertrag abgeschlossen habe, musste ich angeben, welcher Religion ich angehöre. Wie bitte? Was geht es meinem Arbeitsgeber an? In Frankreich undenkbar. Ich habe erfahren, dass die Kirche berechtigt ist, Steuer zu erheben. Wie bitte? In Frankreich undenkbar, einzig der Staat ist berechtigt, Steuer zu erheben. Ich habe erfahren, dass der Staat die Erhebung der Steuer für die Kirche verwaltet. Wie bitte? In Frankreich undenkbar. Ich habe erfahren, dass es in staatlichen Schulen einen staatlich organisierten und finanzierten Religionsunterricht gibt. Wie bitte? In Frankreich undenkbar. Ich habe erfahren, dass es staatlich finanzierte Universitäten für Theologie gibt. Wie bitte? In Frankreich undenkbar. Ich habe erfahren, dass Politiker ihre Religion bei ihren Mandaten als Volksvertreter angeben. Wie bitte? Wem geht es an? In Frankreich undenkbar.
Es gibt nicht eine so strenge Trennung von Staat und Kirche in Deutschland als in Frankreich, so daß möglicherweise bei der Bevölkerung der Eindruck entstehen kann, dass nur bestimmte Religionen (Evangelismus oder Katholizismus) zu Deutschland gehören bzw. „Staatsreligionen“ sind – was aber auf gar keinen Fall zutrifft. In Frankreich kann dieses Missverständnis nicht vorkommen, wie gesagt, Staat und Kirche meiden sich und haben sich zu meiden, und das weiß jeder. Religion ist in Frankreich ein privates Grundrecht, streng privat. Deshalb interessiert es auch keinen Mensch in Frankreich, ob eine neue Kirche oder eine neue Moschee oder eine neue Synagoge oder sonst was für eine Kultstätte gebaut wird oder nicht. Das ist die private Sache der Menschen, die sie benutzen wollen, und dafür interessieren sich alle anderen Menschen nicht und haben sich auch nicht dafür zu interessieren.
Dagegen bin ich für ein Verbot der Gesichtsverschleierung (Burka) in der Öffentlichkeit, das von dem Verfassungsgericht in Frankreich anläßlich der Klage einer Moslemin auch ausgesprochen wurde. Dieses Urteil halte ich für richtig und verfassungskonform.
Bei der Gesichtsverschleierung kann nämlich nicht das Grundrecht auf Ausübung einer Religion geltend gemacht werden, da der Koran die Gesichtsverschleierung nicht vorschreibt, sondern nur die Bedeckung des Haars. Die Gesichtsverschleierung ist lediglich eine regionale Sitte, die in der moslemischen Welt selten vorkommt und ursprünglich von Bewohnern von Wüstenregionen eingeführt wurde. Jeder Mensch hat ein Grundrecht auf Ausübung seiner Religion, jedoch kein Grundrecht auf regionale Sitten.
Auch kann das in der Verfassung verankerte Grundrecht von jedem Mensch auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hier nicht gelten, da die Gesichtsverschleierung die Rechte der anderen Bürger auf freie Ausübung der sozialen Kommunikation verletzt. In sozialen Verbänden ist jeder darauf angewiesen, alle Mitglieder der Gemeinschaft jederzeit wieder zu erkennen und seine Emotionen jederzeit richtig anzuordnen, die hauptsichtlich durch die Gesichtsausdrücke wiedergegeben werden.
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