Blog – Jocelyne Lopez

Grüne MdL Wibke Brems und Verständnis der Verfassung

Ich verweise auf die Petition Nr. I.3/16-P-2014-04842-03 vom 18.11.2014 nach § 17 GG, die aktuell dem Landtag Nordrhein-Westfalen zur Prüfung und Entscheidung vorliegt und fasse kurz den Sachverhalt zusammen:

Am 04.08.2014 haben wir eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Bochum wegen Vorwürfen der Verstöße gegen das geltende Tierschutzgesetz §§ 1, 2, 7, 8 und 11 bei der Genehmigung der Tierhaltung im Affenlabor Covance durch die Behörde LANUV NRW erstattet: Sowohl das geltende deutsche Tierschutzgesetz als auch das EU-Recht schreiben nämlich verbindlich eine artgerechte Haltung der Tiere vor.

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Am 03.09.2014 hat die Staatsanwaltschaft Bochum die Strafanzeige mit der Begründung eingestellt, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorlägen und weigert sich, Ermittlungen einzuleiten und die öffentliche Klage im Interesse der Allgemeinheit zu erheben. Ich erinnere daran, dass nach Strafprozessordnung eine Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, sogar nur bei einem Anfangsverdacht Ermittlungen einzuleiten und bei sich bestätigendem Verdacht Anklage zu erheben.
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Am 23.12.2014 hat ein Bürger im Rahmen dieser Petition  der Landtagsabgeordnete Wibke Brems (DIE GRÜNEN) die Frage im Abgeordnetenwatch gestellt, ob sie anhand von einem erschreckenden Bildmaterial  diese Tierhaltung persönlich als artgerecht beurteilt und  ob sie eine Klageerhebung wie in dieser Petition erbeten für dringend geboten ansieht. Am 10.01.2015 hat Wibke Brems diese Bürgeranfrage beantwortet, siehe:

Frage von Karl-H. W. Greve vom 23.12.2014 und
Antwort von Wibke Brems vom 10.01.2015

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Die Antwort der Landtagsabgeordnete Wibke Brems ist aus meiner Sicht in mehrfacher Hinsicht befremdlich und bedenklich:.

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1)  Verweigerung der Mitteilung ihrer persönlichen Meinung über eine artgerechte Tierhaltung im Affenlabor Covance:

Frau Brems weicht die Frage des Bürgers über ihre persönliche Meinung mit der Ausrede aus, sie könne nicht auf die Prüfung der Petition durch den Petitionsausschuss vorgreifen.

Die Beurteilung des Petitionsausschusses über die artgerechte Tierhaltung war jedoch hier nicht gefragt, sondern explizit die persönliche Beurteilung der MdL Wibke Brems. Der Petitionsausschuss setzt sich nämlich aus 25  Mitgliedern zusammen,  paritätisch nach Fraktionszugehörigkeit festgesetzt: hier liegen also 25 persönliche Meinungen vor.  Das NRW-Parlament zählt 237 legitimierte Volksvertreter, hier liegen also 237 persönliche Meinungen vor.

Die Verweigerung der legitimierten Volksvertreterin Wibke Brems, einem Bürger ihre persönliche Beurteilung über einen Umstand des öffentlichen Lebens mitzuteilen, der Millionen von Bürgern in Deutschland berührt, ist aus meiner Sicht befremdlich und bedenklich: Die Bürger und Wähler haben einen Anspruch darauf zu erfahren, welches Urteilsvermögen die Menschen besitzen, die sie wählen, bezahlen und denen sie ihre Vertretung anvertrauen. Hier hat Frau Brems ihr Mandat als Volksvertreterin nicht verstanden.

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2) Mitteilung ihrer Meinung, dass das Parlament  hier nicht befugt sei, Maßnahmen zu ergreifen:

Auch diese Meinung von Frau Brems wirkt auf mich befremdlich und bedenklich. Gemäß Art. 20 Grundgesetz fungiert die Legislative als Vertretung des souveränen Bürgers und als Kontrollinstanz der Exekutive im Rahmen des Mandats, das ihr von den Bürgern erteilt wurde:

Art. 20 GG:

2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

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Dies bedeutet im Klartext, dass die Legislative, also hier das Parlament, im Namen  und im Auftrag aller Bürger befugt ist, nicht nur Gesetze zu verabschieden, sondern auch dafür Sorge zu tragen, dass die Gesetze, die sie verabschiedet hat, auch respektiert werden. Die Legislative hat das Sagen über die Exekutive, sie ist ihre Kontrollinstanz. Bei begründeten Vorwürfen der Missachtung von geltenden Gesetzen durch die Exekutive ist das Parlament dementsprechend nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, Maßnahmen zur Widererstellung der Rechtskonformität zu ergreifen. Hier ist dementsprechend das NRW-Parlament befugt, die Justizbehörden zu empfehlen, dass die erhobenen Vorwürfe der Missachtung von geltenden Gesetzen von dem zuständigen Gericht geprüft werden und Recht gesprochen wird. Entgegen der Meinung von Frau Brems ist also das Parlament sehr wohl befugt, die Petition positiv im Sinne der Bürger zu bescheiden. Hier hat Frau Brems ihr Mandat als Volksvertreterin auch nicht verstanden.

 

3) Verweis auf das Verbandsklagerecht zur Widererstellung der Rechtskonformität:

Frau Brems weist den anfragenden Bürger zur Widererstellung der Rechtskonformität bei Strafbeständen bzgl. der  Tierhaltung im Affenlabor Covance auf das Verbandsklagerecht hin, das von den GRÜNEN 2013 eingeführt wurde.

Auch dies ist aus meiner Sicht befremdlich und bedenklich.

  • Für die Verfolgung von Strafbeständen sind verfassungsmäßig die Staatsanwaltschaften zuständig, wie auch Frau Brems es in diesem Fall eingesteht. Wenn die Staatsanwaltschaft sich weigert, wie in diesem Fall, eine Strafverfolgung einzuleiten, empfehlt Frau Brems den Bürger, zur Strafverfolgung das Verbandsklagerecht in Anspruch zu nehmen. Was soll das? Was ist das bitteschön für eine seltsame Empfehlung?! Ist etwa Frau Brems nicht bewußt, dass diese Empfehlung absolut untauglich für die Bürger ist?
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    Der anfragende Bürger ist ein Bürger, und kein von dem grünen Umweltminister Johannes Remmel zugelassener Verein: Einzig 7 Vereine wurden nämlich im NRW für dieses Recht zugelassen, siehe Remmel gibt sieben Tierschutzvereinen Freibrief für Klagen. Der Bürger hat also keinen Anspruch auf dieses Recht, sprich hat er wie die Millionen von anderen Bürgern auch keinen Anspruch auf die Verfolgung von Straftaten auf deutschem Boden. Ist es normal, Frau Brems? Kann es sein, dass im Rechtsstaat NRW bzw. Bundesrepublik Deutschland 80 Millionen von Bürgern keinen Anspruch auf die Verfolgung von Straftaten haben?  Ist es verfassungskonform, Frau Brems?
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  • Die Inanspruchnahme des Verbandsklagerechts setzt kräftige finanzielle Rücklagen voraus: Es besteht Rechtsanwaltszwang, was in dem Fall von mehreren Instanzen ganz schnell auf eine fünfstellige Summe klettern kann. Es besteht darüber hinaus ein erhebliches finanzielles Regreßrisiko: Verliert man vor Gericht, sind die Gerichtskosten sowie die Rechtsanwaltskosten der Behörde auch noch dazu zu tragen. Ist es normal, Frau Brems, dass man Strafbestände nur kostenpflichtig verfolgen lassen kann, und zwar, wenn man finanzkräftig ist? Ist das gerecht? Ist das rechtmäßig? Ist das verfassungskonform?
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Diese Fragen haben wir als Petentinnen bei dem Tierschutz-Referent des Ministers Johannes Remmel anläßlich eines Gesprächstermins am 22.12.2014 im Umweltministerium NRW auch aufgeworfen. Beantwortet wurden unsere Fragen jedoch nicht.

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Gisela Urban und Jocelyne Lopez
22.12.14 in der Cafeteria des Umweltministeriums Düsseldorf
© Copyright Jocelyne Lopez

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In Gedenken an den Tierschützer und Tierrechtler Gerhard Oesterreich.
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