Blog – Jocelyne Lopez

Grundgesetze für die Forscher – Die EU-Kommission hat eine „Charta der Wissenschaft“ formuliert

Ein Artikel von Christian Schwägerl aus der FAZ vom 07.03.2005

 

Grundgesetze für die Forscher – Die EU-Kommission hat eine „Charta der Wissenschaft“ formuliert

Auszüge:  

„Jeden Tag kommt es in Forschungsinstituten zu haarsträubenden Situationen. Professoren beauftragen im Labor ihre jungen Mitarbeiter mit Arbeiten, für die diese gar nicht ausreichend qualifiziert sind; Wissenschaftler bekommen Millionen Euro an Steuergeldern überwiesen – und bewahren ihre Forschungsergebnisse nur auf einem einzigen, absturzgefährdeten Rechner auf; Frauen werden aus dem Institut hinauskomplimentiert, weil sie schwanger sind; vor der Einreichung wissenschaftlicher Arbeiten setzen sich Vorgesetzte auf die Autorenliste, obwohl sie gar nicht mitgeforscht haben. 

Künftig sollen sich innerhalb der Europäischen Union Wissenschaftler, die solche und andere Mißstände erleben, an eine zentrale Beschwerdestelle wenden und eine Überprüfung der Vorfälle veranlassen können – zumindest dann, wenn sie selbst und ihre Universität oder ihr Unternehmen jene „Charta der Wissenschaft“ unterzeichnet haben, die in Brüssel formuliert wurde und in den kommenden Tagen der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. 

Erstaunlich wenig Wirbel

[…] Mit der Charta möchte die EU eine Lücke füllen, deren Existenz den Fachleuten zufolge die Entwicklung eines „Europäischen Wissenschaftsraums“ behindert. Die Wissenschaft als solche kennt zwar zahlreiche ihr zugrundeliegende Regeln, doch meist werden sie mündlich und in variierender Form weitergegeben. Allgemeingültig niedergeschrieben sind sie jedenfalls bisher nicht. […]

Der Charta-Entwurf, den der aus Slowenien stammende Kommissar Potocnik im Laufe dieser Woche in Brüssel erstmals vorstellen will, besteht aus drei Teilen. Der erste beschreibt Rechte und Pflichten jedes Forschers. Die Freiheit des Denkens und der Forschung ist an vorderster Stelle festgeschrieben, wobei zugleich zugestanden wird, daß die Wahl des Forschungsfeldes durch Arbeitsverträge mit Firmen eingeschränkt werden kann. Respekt vor den intellektuellen Leistungen anderer und ihren Patentrechten wird eingefordert, Plagiate und das Einmogeln auf Autorenlisten verurteilt. Wissenschaftler, heißt es, sollten die Rechtsgrundlagen ihres Handelns kennen, und sie sollten Vorgesetzte informieren, wenn ihnen Verstöße oder sonstige Fehler unterliefen. Verantwortlichkeit und Sparsamkeit im Umgang mit Steuergeldern, die andere erst hart erarbeiten müssen, werden nachdrücklich eingefordert, wozu Sicherungskopien der Ergebnisse zählen. Als Pflicht jedes Forschers wird in der Charta auch angeführt, daß er seine Ergebnisse veröffentlicht und der Öffentlichkeit erklärt.
[…]
Manche der angeführten Forderungen klingen wie Selbstverständlichkeiten, andere aber greifen Mißstände in der europäischen Wissenschaftskultur frontal auf. Ob freilich die EU überhaupt von den Forschern Europas als legitimer Urheber einer Charta akzeptiert wird, muß Kommissar Potocnik erst noch herausfinden.“

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