Ich verweise auf einen weiteren Austausch aus der Diskusssion 17.12.2011 – Empört Euch! Occupy Tierfolterlabore! im Forum Zeitwort.at über die großartigen Forschungs-ergebnisse des Tierquälers Prof. Dr. med. Wolf Singer, wonach der Mensch keinen freien Willen habe und Gott nicht existiere:
02.12.11 – Zitat von nocheinpoet:
So, nun noch zu der Sache mit dem freien Willen, da kann Jocelyne nun labern wie sie will, das ist Ergebnis von Experimenten und nicht das von Singer, sondern von anderen Forschern und das an Menschen:
Also mal das hier lesen, Bildung schadet nicht: http://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille
Und dann das hier:
Ein viel diskutiertes Experiment (Libet-Experiment) auf diesem Gebiet wurde von Benjamin Libet in den 1980er Jahren durchgeführt.
[…]
Deutung des erreichten Erkenntnisstandes
[…]
Andererseits halten z. B. Niels Birbaumer, Reinhard Werth oder Benjamin Libet selbst die Interpretation des Libet-Experiments im Sinne einer Widerlegung des freien Willens für unzulässig. Auch sind etwa Lüder Deecke sowie Hans Helmut Kornhuber Verfechter der Willensfreiheit.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille#Hirnforschung
02.12.11 – Zitat von Jocelyne Lopez:
Genau, die Experimente, worauf Prof. Dr. Wolf Singer seine „brisanten neuen Erkenntnissen“ zurückführt, dass der Mensch keinen freien Willen habe, sind nicht von ihm konzipiert worden und wurden auch nicht mit Tieren durchgeführt, sondern mit Menschen (bekanntlich weiß Singer sowieso gemäß eigenen Aussagen seit 20, 30 Jahren Tierversuche noch weniger als vorher, wie das Gehirn funktioniert…) und deren Interpretation wurde in der Tat diesbezüglich schon lange als unzulässig erkannt.
Das Libet-Experiment (und seine Varianten) ist nämlich stark umstritten bzgl. des Rückschlußes, der Mensch hätte keinen freien Willen, und es gibt erhebliche Einwände gegen diese Interpretation, siehe zum Beispiel hier Die Libet-Experimente: „[…] Angesichts dieser Einwände wird man auch die Untersuchungen von Haggard und Eimer kaum für eine Widerlegung der Willensfreiheit in Anspruch nehmen können.“
In dieser ausführlichen Analyse der Experimente vermisse ich jedoch persönlich den zusätzlichen Einwand, dass das Experiment sich allein auf die Ausführung von Bewegungen einschränkt und dass ein Mensch ohnehin eine gewaltige hohe Anzahl von Bewegungen durchführt, die eindeutig durch keine bewußte Entscheidung gesteuert sind, das weiß jeder seit aller Ewigkeit aus Erfahrung und ohne Experimente:
- Wenn ich zum Beispiel auf der Straße gehe, ist keine meiner einzelnen Schrittbewegungen durch einen bewußten Willen gesteuert: Meine Füße bewegen sich beim Gehen sozusagen von allein, ohne dass ich mich auf ihre Bewegungen konzentrieren und einzelnen Schritt-Befehle geben muss, und zwar seit ich als Kleinkind zu gehen gelernt habe. Meine einzige Willensfreiheit beim Gehen auf der Straße wäre zum Beispiel hier der Wille beim Bäcker Brötchen zu holen. Dieser wichtige Aspekt wird in dieser Analyse nur angedeutet: Die einzige wirklich willentlich getroffene Entscheidung beim Libet-Experiment, ist die Entscheidung an diesem Experiment teilzunehmen – und sie kommt zeitlich ganz bestimmt nicht bevor man dazu eingeladen wird…
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- Wenn ich zum Beispiel jede paar Sekunden ein- und ausatme, brauche ich mich auch nicht darauf zu konzentrieren und auch nicht willentlich die Bewegungen meiner Atmungsorgane zu steuern: Diese Bewegungen führe ich seit der Sekunde aus, wo ich auf die Welt gekommen bin. Meine einzig übergeordnete Willensfreiheit ist hier das angeborene Streben zu leben.
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- Wenn ich zum Beispiel auf der Straße reflexartig vor einem mich anfahrenden Auto zurückspringe oder wenn ich reflexartig versuche, eine Tasse zu fangen, die gerade von der Tischkante kippt, habe ich mich auch nicht auf diese Bewegungen konzentriert und sie auch nicht bewußt ausgelöst: Sie werden reflexartig vom Erhaltungstrieb bzw. vom Reflex zum Ausweichen von Gefahren ausgelöst.
Es ist also extrem gewagt von den Hirnforschern nur mit der Untersuchung von Bewegungen und Bewegungsfolgen, die Existenz eines freien Willens zu bestreiten: Die überwiegende Mehrheit der Entscheidungen, die wir durch unseren Willen treffen, beziehen sich ja nicht auf die Ausführung von Bewegungen selbst, sondern auf das Ziel dieser Bewegungen.
Die Ruckschlüße des Hirnforschers Prof. Dr. Wolf Singer sind also hier nicht nur in der wissenschaftlichen Gemeinde schon lange zu Recht zurückgewiesen worden (sowohl naturwissenschaftlich als auch philosophisch), sie sind auch aus meiner Sicht absolut haarsträubend, zumal er noch darauf den zustätzlichen „brisanten und revolutionären“ Rückschluß hingeklatscht hat, es sei ein Beweis, dass Gott nicht existiere. Unfaßbar.
02.12.11 – Zitat von nocheinpoet:
Interessanter Artikel, und auch recht sachlich.
[…]
Es geht ja nicht um automatisierte Handlungsabläufe.
[…]
Auch wenn man nicht bewusst und aktiv blinzelt, beweißt das nicht, dass die Aussagen von Libet falsch sind.
[…]
Hat auch nichts mit dem Experiment zu tun.
02.12.11 – Zitat von Jocelyne Lopez:
Deine sachlichen Kommentare zu diesem Experiment, das Du selbst als Verteidigung der These von Singer gebracht hast, sind recht dürftig, mit Verlaub…
Wie ich es hervorgehoben habe, handelt es sich beim Limet-Experiment um die Untersuchung der Entstehungsprozesse einer Bewegung, und bekanntlich gibt es verschiedene Arte der Durchführung von Bewegungen, mit oder ohne Willenfreiheit:
1) Die organischen Bewegungen: Herzschlag, Blutkreislauf, Magenkontraktionen usw.
2) Die angeborenen Bewegungen (ohne Erlernen): Atmen, Schlucken, Blinzeln, Lächeln, Gesichtsminiken, Körpersprache, usw.
3) Die Reflexbewegungen: Erhaltungstrieb, Ausweichen von Gefahren
4) Die automatisierten Bewegungen (nach Erlernen): z.B. gehen und alle Bewegungen, die man nach intensiven Übungen erlernt hat, z.B. Tanzen, Skifahren, usw. usf.
5) Prozess des Erlernens einer Bewegungsfolge (tanzen, skifahren, usw.)
Die Limet-Versuchsanordnung ist aus meiner Sicht eine Mischung zwischen 3 und 5, also eine Mischung zwischen Reflexbewegung und Erlernen einer Bewegung.
Die von mir verlinkten Analyse hat diese Aspekte auch berücksichtigt: Die Limet-Experimente
[…] Kann man bei diesen Experimenten also wirklich davon sprechen, dass die Versuchspersonen überhaupt eine Entscheidung treffen? Immerhin steht die auszuführende Handlung (Bewegung der rechten Hand) von vornherein fest; außerdem musste diese Bewegung sehr häufig wiederholt werden. Die Versuchspersonen können allenfalls den zeitlichen Ablauf geringfügig variieren.
[…]
Die Autoren konnten zeigen, dass die Instruktion die Aufmerksamkeit der Versuchspersonen auf unwillkürliche Bewegungsimpulse richtet, die im Normalfall praktisch ständig vorhanden sind.
[…]
Die Instruktion veranlasst die Versuchspersonen dazu, ihre Aufmerksamkeit auf diese Bewegungsimpulse zu richten, die sie dann als „Drang, sich zu bewegen“ interpretieren.
[…]
Beträchtliche Differenzen gibt es schon bei den Mittelwerten für den bewussten Willensakt aller Versuchspersonen eines Experimentes. Bei Libet ebenso wie bei Keller und Heckhausen liegt dieser Wert bei 200 Millisekunden vor der Handbewegung, bei Haggard und Eimer dagegen bei 350 Millisekunden und bei Trevena und Miller nur 122 Millisekunden vor der Bewegung. Wesentlich größer noch sind die Differenzen zwischen den einzelnen Versuchspersonen. Wie schon gesagt, basieren die ermittelten Daten in der Regel auf etwa 40 Durchgängen. Bei Libet liegen die Schwankungen zwischen 422 und 54 Millisekunden, bei Haggard und Eimer zwischen 984 und 4 Millisekunden vor der Handlung. Bei Keller und Heckhausen finden sich Werte zwischen 362 Millisekunden vor und 806 Millisekunden nach der Bewegung; ebenso gaben bei Trevena und Miller 40% der Versuchspersonen einen Zeitpunkt an, der nach der Ausführung der Bewegung lag.
Dass dieses Experiment nicht die Willenfreiheit der Menschen bei Entscheidungen untersucht, sondern lediglich die individuelle Reflexfähigkeit der Versuchspersonen und die Prozesse des Erlernens einer Bewegung (Drang, sich nach Anweisungen zu bewegen) sollte klar sein.
Dies kann ich für die Versuchspersonen einigermaßen persönlich nachvollziehen, weil ich mich selbst in regelmäßigen Abständen beim Augenarzt einer Art „Limet-Experiment“ unterziehe, und zwar dem sogenannten „Gesichtsfeld“, um zu prüfen, ob bei Glaukom-Patienten das Feld der visuellen Wahrnehmung normal ist oder sich verengt hat. Der Patient soll mit dem ganzen Gesicht in eine dunkle, halbkugelförmige Kammer hineingucken, in deren Mitte ein heller, fixer Lichtpunkt leuchtet. Die Untersuchung wird für jedes Auge separat durchgeführt und dauert je 10 Minuten, das ist also eine ziemlich lange, ermüdende visuelle Konzentrationsaufgabe auf das Licht: Man soll sich streng und bewußt einzig auf diesen hellen Fixpunkt konzentrieren und ihn nicht aus dem Auge lassen. Dann startet die Untersuchung und Lichtfunken von unterschiedlichen Helligkeiten erscheinen an willkürlichen Stellen der dunklen Kammer, in einem willkürlichen Sekundentakt. Der Patient soll auf einen Knopf drücken, sobald er beim Fixieren des Mittelpunkts die Lichtfunken sehen kann, die ganz kurz an willkürlichen Stellen erscheinen, was wohl Hunderte von „Knopfdrücken-Bewegungen“ bedeute. Ich merke selbst im Laufen der Untersuchung, dass ich einige Fehler beim Drücken auf den Knopf mache: Ich reagiere zu spät oder gar nicht, obwohl ich den Funken gesehen habe, oder ich reagiere zu früh, weil ich das Erscheinen eines Funkens „vorausgeahnt“ habe, oder ich reagiere auch in Fällen wo ich mir nicht ganz sicher bin, ob es sich um einen schwachen Funken handelte oder nur um eine optische Täuschung aufgrund des ermüdenden Fixierens des hellen Mittelpunktes. Die Aussagekraft der anschließenden Bildschirmauswertung kann also nur gewährleistet werden, wenn man die Fehler durch individuelle schwankende Reflexfähigkeit bei dieser quasi „halbautomatisierten“ Bewegungsfolge berücksichtigt und einen Durchschnittwert ermittelt.
Es wäre haarsträubend zu behaupten, dass eine Versuchsperson keinen freien Entscheidungswillen habe, weil sie zu früh eine Handbewegung bei solcher Art von Untersuchungen wie bei den Limet-Experimenten ausgeführt hat. Prof. Dr. Wolf Singer zieht äußerst selbstbewußt solche „brisanten und revolutionären“ Rückschlüße aus solchen Experimenten…
03.12.11 – Zitat von nocheinpoet:
[…] Die Frage nach dem freien Willen ist auch nicht zentrales Thema hier, ist ein sehr spannendes, aber das gehört dann in einen anderen Thread. Hier ging es doch um Tierschutz oder? Oder geht es ihnen hier mehr darum Dr. Singer als Person so richtig schön zu diskreditieren, weil sie ihn so sehr hassen? Sie haben den Punkt „freier Wille“ nur gegriffen um Singer „dumm“ darzustellen. Wenn sie wirklich darüber diskutieren wollen ist hier sicher nicht der richtige Ort.[…]
03.12.11 – Zitat von Jocelyne Lopez:
[…] Die Thesen von Singer sind in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit sehr wohl so bekannt, wie ich sie aus dem Interview herausgearbeitet habe und wie sie von Fachkollegen als „radikalen materialistischen Reduktionismus“ bezeichnet werden: Negieren des Geistes, Verpönung jegliches religiöses Gefühls und jeglicher Spiritualität. In der seit einer Ewigkeit rätselhafte Beziehung zwischen Gehirn und Geist (wie sogar der Name der wissenschaftlichen Zeitschrift „Gehirn & Geist“ als Gastgeber von Singer/Metzinger es dokumentiert), reduziert Singer den Mensch einzig auf ein materielles Gehirn und negiert den Geist. Da macht er es sich ganz einfach, der gute Singer: der Geist ist ja ein der rätselhaften Phänomenen des Universums, wie ich es auch von anderen Wissenschaftlern in diesem Kontext zitiert habe: Kopernikus, Darwin, Singer?
Prof. Dr. Lutz Sperling:
Professor Singer sollte seine wissenschaftliche Reputation nicht mißbrauchen, sondern anerkennen, daß die Reichweite der Methoden auch seines Fachgebietes beschränkt ist, daß es Fragen gibt, die sich dem Zugriff dieser Methoden prinzipiell entziehen. Einige dieser Fragen unterliegen einer Vorentscheidung des Menschen, wobei es mehrere mit den naturwissenschaftlichen Beobachtungen kompatible Möglichkeiten gibt. Wenn Singer die Vorentscheidung eines radikalen materialistischen Reduktionismus trifft und für andere Bereiche der Wirklichkeit absolut „unmusikalisch“ zu sein scheint, dann ist das seine Sache. Wer aber Ungeheuerlichkeiten verkündet, dem muß widersprochen werden.
Vielleicht bleibt uns am Ende auch nur die Demut vor dem Unbegreiflichen. In diesem Sinne bin ich dem Magdeburger Neurowissenschaftler Professor Hans-Jochen Heinze dankbar für seine im Uni-Report vom Oktober 2001 wiedergegebenen Worte: “Und so eine Äquivalenz, gewissermaßen mit verschwimmenden Rändern, würde das geistige Leben eben nicht auf einen neuralen Reflex reduzieren, sie würde vielmehr die innere Struktur und Eigenständigkeit der geistigen Welt, ihre großartige Schönheit, nur auf eine bestimmte Weise widerspiegeln.“
Der Geist ist einfach zu rätselhaft für die Menschen, zu unbegreiflich, sie wissen nicht, was das ist, woher es kommt und wie es funktioniert. Für Singer natürlich auch, er hat auch keine blaße Ahnung davon, was der Geist ist. Also machen wir einen kurzen Prozess bei dieser ewigen Frage der Menschen und entscheiden wir einstimmig mit Singer: Es gibt keinen Geist, es gibt keinen Gott, es gibt nur materielle Neurone und materielle chemische Produkte, Punkt, fertig, aus. Großartig, einfach großartig…