Blog – Jocelyne Lopez

Leserbrief von Norbert Derksen: „Vorsicht, Irrtum!“

Ein Leserbrief vom 01.04.10 von Dipl.-Ing. Norbert Derksen
zum Artikel „Vorsicht, Irrtum!„, SÜDKURIER Nr. 75 / MP vom 31. März 2010, Seite 15:

Falsch, Herr Michel, nicht der „irrt sich dabei gründlich“, der sich in Verkennung der mißglückten Bezugnahme mit „Auch Einstein war schlecht in Mathe“ tröstet, sondern derjenige, der den alten Hut mit dem verwechselten Schweizer Notensystem hervorkramt. Bleiben wir doch bei den gerne übergangenen Tatsachen: der 16jährige Albert Einstein fiel durch die Aufnahmeprüfung an der Eidgenössischen Polytechnischen Hochschule in Zürich, heute ETH. Im Sommer 1900 bestand er seine Abschlußprüfung am Polytechnikum als Zweitschlechtester und bekam keine Anstellung als wissenschaftlicher Assistent, um promovieren zu können. Eine erste Doktorabeit, die er Ende 1901 an die Universität Zürich eingeeicht hatte, wurde abgelehnt. 1905 reichte er eine neue Doktorarbeit ein. Auch sie wurde zurückgewiesen. Am 17. Juni 1907 reichte er bei der Universität Bern ein Gesuch ein, seine bisherigen 17 Veröffentlichungen als sogenannte „kumulative Habilitation“ zu genehmigen, aber dieses Gesuch wurde ebenfalls abgelehnt. Als sein Mathematikprofessor Hermann Minkowski 1907 die spezielle Relativitätstheorie durch Anwendung der Matrizenrechnung lediglich mathematisch kompakter formulierte, seufzte Einstein, er verstehe nun seine „eigene“ Theorie nicht mehr. Bekannt ist auch sein verzweifelter Hilferuf an seinen Freund und Kommilitonen Marcel Grossmann, dessen säuberliche Mitschriften er während des Studiums für die Nachbereitung geschwänzter Mathematikvorlesungen genutzt hatte und der inzwischen in Zürich Darstellende Geometrie lehrte: „Grossmann, Du mußt mir helfen, sonst werd‘ ich verrückt.“ In einem Brief an seinen Kollegen Arnold Sommerfeld bekennt Einstein im Oktober 1912: „Ich beschäftige mich jetzt ausschließlich mit dem Gravitationsproblem und glaube nun, mit Hilfe eines hiesigen befreundeten Mathematikers aller Schwierigkeiten Herr zu werden. Aber das eine ist sicher, daß ich mich im Leben noch nie annähernd so geplagt habe, und daß ich große Hochachtung für die Mathematik eingeflößt bekommen habe, die ich bis jetzt in ihren subtileren Teilen für puren Luxus ansah.“ 1943 schrieb Einstein an die Schülerin Barbara Wilson: „Mach dir keine Sorgen wegen deiner Schwierigkeiten in Mathematik, ich kann dir versichern, meine sind noch größer.“ Neben Marcel Großmann standen Einstein als weitere Helfer die Mathematiker Hermann Minkowski, Hermann Weyl, Wolfgang Pauli sowie Emmy Noether zur Seite. Der Mythos vom einsamen Genie Einstein stimmt also keineswegs, und zwar nicht nur auf dem Felde der Mathematik. Hätte Einstein etwas von Mathematik verstanden, hätte er bemerkt, daß die sogenannte „Lorentz-Transformation“ im allgemeinen Falle nichtkollinearer Geschwindigkeiten überhaupt nicht transitiv ist, was allein schon ausreicht, der Relativitätstheorie den Boden zu entziehen, und hätte er etwas von Physik verstanden, hätte er schon viel früher erkannt, daß diese Phantasterei nichts mit der Realität zu tun hat.

(Norbert Derksen)