11. April 2010
Das Grundgesetz schreibt die Lehre der Kritik in den Universitäten vor
Ich verweise auf die Diskussion Eine Initiative zur Wissenschaftsfreiheit im MAHAG-Forum und gebe einige Austausche wieder:
08.04.10 – Zitat von contravariant:
„Ich fordere die Einführung der Lehre der Kritik der Relativitätstheorie in allen Universitäten, wo diese Theorie gelehrt wird.“ (Jocelyne Lopez)
Ich weiss ja nicht wie das in Frankreich gehandhabt wird, aber in Deutschland ist die Wissenschaftsfreiheit ein Verfassungsmäßig verbrieftes Grundrecht. Die Wissenschaftsfreiheit umfasst sowohl Lehr- als auch Forschungsfreiheit. Das bedeutet in der Praxis, dass sich der Staat in den Prozess der Wissenschaft nicht einmischt. Sprich die Professoren können sehr frei entscheiden, was sie forschen und lehren möchten. […]
09.04.10 – Zitat von Jocelyne Lopez:
In Frankreich wird es wohl wie in Deutschland und in allen Rechtstaaten sein: Die Verfassung schreibt dem Staat eindeutige Vorschriften für die Vermittlung der wissenschaftlichen Erkenntnissen an die nächste Generation im Interesse der Allgemeinheit vor. Das Grundgesetz steht über den Staat und über alle seiner Mitarbeiter genauso wie über alle anderen Bürger des Landes. Staat und Beamte sind in keiner Weise davon befreit, die Bestimmungen des Grundgesetztes zu achten und umzusetzen! Der Bonner Kommentar zum Grundgesetz setzt eindeutige Vorschriften darüber, wie der Staat den Wissenstransfer im Interesse der Allgemeinheit zu organisieren und zu handhaben hat, siehe z.B. hier.
Weder das Gebot der Nicht-Identifikation noch das Gebot der meinungsneutralen Wissenschaftspflege wird vom Staat im öffentlichen Bildungssystem im Fachbereich Theoretische Physik respektiert. Der Staat handelt hier verfassungswidrig. Er hat das zu korrigieren und durch geeignete personelle, finanzielle und organisatorische Mittel die Vermittlung der kritischen Gegenpositionen an die Studenten zu ermöglichen, die seit 100 Jahren weltweit von qualifizierten Wissenschaftlern gebracht wurden. Die Dokumentation von G.O. Mueller mit zurzeit ca. 4000 kritischen Arbeiten von ca. 1300 Autoren und mit einem Fehlerkatalog von ca. 130 Fehlern bietet für Lehrbeauftragte eine umfangreiche Unterrichtsbasis und geeignete Arbeitsunterlagen.
09.04.10 – Zitat von contravariant:
„Weder das Gebot der Nicht-Identifikation noch das Gebot der meinungsneutralen Wissenschaftspflege wird vom Staat im öffentlichen Bildungssystem im Fachbereich Theoretische Physik respektiert.“ (Jocelyne Lopez)
Doch wird es. Es gibt weder auf Bundes- noch auf Landesebene ein Gesetz, eine Verordnung oder ein sonstige Entscheidung der Legislative oder der Exekutive, die festlegt, was an physikalischen Fakultäten gelehrt oder geforscht werden muss und was nicht. Das ist neutral.
09.04.10 – Zitat von Jocelyne Lopez:
Neutral??! Neutral ist gar nichts gegenüber dem Grundgesetz… Das ist die höchste Gesetzgebung überhaupt, auf Bundes- wie auf Landesebene.
Und noch einmal der Bonner Kommentar zum Grundgesetz Art. 5 § 3 Wissenschafts-freiheit: „der Staat, der sich als Kulturstaat versteht, hat die Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die nächstfolgende Generation durch Bereitstellung von personellen, finanziellen und organisatorischen Mitteln zu ermöglichen und zu fördern”. Gebot der Nicht-Identifikation und Gebot der meinungsneutralen Wissenschaftspflege.
Wie der Staat sich zu dieser Vermittlung organisieren soll, dazu sagt das Grundgesetz natürlich nichts, der Staat muß aber diese Bestimmung respektieren und dafür sorgen, dass sie umgesetzt wird. Er hat das zu ermöglichen. Es ist ja auch kein Problem eine Planstelle mit einem Lehrbeauftragter zu besetzen, der sich dafür bereit erklärt, die Lehre der Kritik der Speziellen Relativitätstheorie den Studenten zu übermitteln. Wenn der Staat so eine Planstelle ausschreibt, da werden sich eine Menge von Kandidaten bewerben, kein Problem. Man kann auch Gastbeiträge für Seminare organisieren, es gibt genug fachlich qualifizierte Kritiker, die die Gegenpositionen zur SRT den Studenten beibringen können. Also der Staat hat nicht nur die Plicht das Grundgesetz zu respektieren, er hat auch die personellen, finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten, es zu tun.
09.04.10 – Zitat von contravariant:
„Es ist ja auch kein Problem eine Planstelle mit einem Lehrbeauftragter zu besetzen, der sich dafür bereit erklärt, die Lehre der Kritik der Speziellen Relativitätstheorie den Studenten zu übermitteln.“ (Jocelyne Lopez)
Dann ist der Staat aber nicht mehr neutral, sondern greift explizit in den Prozess der Wissenschaft ein. Er stellt dann nämlich eine bestimmte Ansicht heraus.
10.04.10 – Zitat von Jocelyne Lopez:
Aber nein, die Situation ist ganz genau andersrum!
Zurzeit – und seit Jahrzehnten – greift der Staat in den Prozess der Wissenschaft ein, indem er sich mit einer Theorie identifiziert und sie als einzig gültig lehren lässt, unter Ausschluß jeglicher, auch seit Jahrzehnten vorhandener Kritik. Die vorhandene Kritik einer Theorie gehört aber unzertrennlich zu der Theorie, das ist der normale, sinnvolle und anerkannte Prozess im Wissenschaftsbetrieb. Die Kritik einer Theorie völlig auszuschalten und die Theorie völlig kritiklos den Studenten zu vermitteln ist ein Eingriff des Staates in den Prozess der Wissenschaft, wobei sich der Staat verfassungswidrig das Recht und die Kompetenz selbst zuspricht zu entscheiden, was seiner Meinung nach richtig oder falsch sein sollte…
Ich zitiere hier eine weitere Bestimmung aus dem Bonner Kommentar zum Grundgesetz Art. 5. § 3 Wissenschaftsfreiheit, die diesen Eingriff des Staates in den Prozess der Wissenschaft und seine Identifikation mit einer Theorie verbietet: „Der Wissenschafts-begriff darf also nicht dazu dienen, richtige von falschen Lehrmeinungen und Forschungsergebnissen zu unterscheiden (Irrtumsoffenheit als heuristisches Prinzip)“. (Seite 41) [Hervorhebung durch mich]
09.04.10 – Zitat von contravariant:
Ich wiederhole das nocheinmal gerne extra für sie, nirgendwo steht geschrieben, dass es an einer Universität einen Professor für dieses oder jenes geben muss. Die Universitäten haben ein bestimmtes Budget und es ist die Universität, bzw. unversitäre Gremien, die entscheidet, wieviele Professuren mit diesem Geld eingerichtet werden und mit wem diese Stellen besetzt werden, weder die Landesregierung noch die Parlamente haben dort Einfluss.
10.04.10 – Zitat von Jocelyne Lopez:
Ich wiederhole es noch einmal gerne extra für Dich: Es steht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, dass der Staat in Forschung und Lehre eine meinungsneutrale Wissenschaftspflege zu betreiben hat und dass die Freiheit der Wissenschaft und die Pflichte des Staates sich nicht auf die Freiheit von irgendeinem verbeamteten Universitätspräsidenten (als Staatsdiener mit Amtseid auf der Verfassung) reduzieren lässt. Der Staat muss also gemäß Grundgesetz dafür sorgen, dass die vorhandene Kritik einer Theorie in den Universitäten an die nächste Generation mitgelehrt wird und dafür die personellen, finanziellen und organisatorischen Mittel bereitstellen. Der Staat muss also Planstellen und sonstige Lehraufträge zur Vermittlung der Kritik an die Studenten ermöglichen und bereitstellen. Er hat hier Aufsichts- und Lenkungspflicht, um das Grundgesetz zu respektieren.
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Siehe auch:
Verantwortung für die universitäre Ausbildung übernehmen!
Karl Popper: Die kritische Einstellung ist das Wesentliche in der Wissenschaft
Die Verantwortung des Herrn Prof. Dr. Jürgen Richter
[…] Initiative zur Wissenschaftsfreiheit im MAHAG-Forum, sowie auf meinen vorherigen Eintrag Das Grundgesetz schreibt die Lehre der Kritik in den Universitäten vor und gebe einige Austausche […]
[…] verweise auf meinen Eintrag Das Grundgesetz schreibt die Lehre der Kritik in den Universitäten vor und auf einen weiteren Austausch im Thread Einzug der Kritik der RT in die Universitäten im […]
[…] verweise auf meinen Eintrag Das Grundgesetz schreibt die Lehre der Kritik in den Universitäten vor und auf einen weiteren Austausch im Thread Einzug der Kritik der RT in die Universitäten im […]
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