Blog – Jocelyne Lopez

Archiv für Januar, 2010

Christian Geyer kritisiert im FAZ den Mangel an Tabubrecher. Wir können liefern.

G.O. Mueller kommentiert in seinem Brief über die Wissenschaftsfreiheit an 639 Staatsrechtslehrer vom März 2008 einen Artikel von Christian Geyer im FAZ vom 13.02.08: Kulturkritik – Ist Hecheln unsere Leitgeschwindigkeit? 

Zitate G.O. Mueller:

Ein scharfer Kontrast bedarf der Erklärung 

Abschließend möchten wir auf einen merkwürdigen, scharfen Kontrast aufmerksam machen, der in der Bundesrepublik zwischen Politik und Gesellschaft einerseits und den Zuständen in der theoretischen Physik andererseits herrscht. 

Politik und Gesellschaft freuen sich über sich selbst, daß der Gedanke der Gleichberechtigung der Religionen, der Weltanschauungen, der Geschlechter, der geschlechtlichen Orientierungen und der nationalen und kulturellen Minderheiten in der Bundesrepublik weitgehend in die Praxis umgesetzt worden ist und wird. Im Sinne der Toleranz wird ein politisch korrekter Sprachgebrauch propagiert. Durch politische, rechtliche, wirtschaftliche und administrative Initiativen wird jede Form von Diskriminierung von der Berufswahl bis zur Wohnungssuche durch Antidiskriminierungsmaßnahmen bekämpft. Ein neues Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ist in Kraft getreten. Instanzen wie Ombudsmänner werden eingerichtet und Whistleblower zur Aufklärung von Mißständen beschworen. Ethikräte werden eingerichtet, weil alle Beteiligten sich gern beraten und auf den rechten Weg führen lassen wollen, um möglichst kein Unrecht zu tun. 

Auf Länder und Gesellschaften, die diese Ziele nicht erreichen oder sogar nicht einmal anstreben, blickt man herab und zieht wohl auch mit der Armee in den Krieg, um sie auf unseren rechten Weg zu bringen. Zugleich wird die Freiheit zur Beleidigung von Religionsgründern als weiteres wichtiges Grundrecht eingefordert. 

In Diskussionen im Vorfeld der politischen Umsetzung werden gar die Grenzen des bisher Diskutablen kontrovers abgeschritten: die Folter, der Abschuß von Zivilflugzeugen und – aus England gemeldet, in Deutschland nicht undenkbar – die begrenzte Anwendung der Scharia in internen Angelegenheiten von Migrantenfamilien. Im Sinne solcher Diskussionen rufen unsere Geistesgrößen und Führergestalten in regelmäßigen Abständen öffentlich händeringend nach “Querdenkern”. 

Genau hierzu meldet kurz vor Redaktionsschluß des vorliegenden Briefes unsere Presseauswertung passenderweise eine weitere Preziose, einen neuen Höhepunkt der Heuchelei unseres Zentralorgans für Zensur und Gleichschaltung. 

Die FAZ vom 13.2.08 berichtet, gestützt auf Zitate von Philosophen und Soziologen, über den aktuellen Bedarf an

– “Berufskritikern”,
– “den Typus des intellektuellen Eingreifers, der etwa als Schriftsteller oder Philosoph in zentralen gesellschaftspolitischen Fragen von Zeit zu Zeit die Szene aufmischt”,
– “der eingreifende Intellektuelle”,
– diese ”verfassungsrechtlich verbürgte Rolle” darf nicht in Abrede gestellt werden;
– “betriebsferne Störenfriede” dürfen nicht als “unzuständig” erklärt werden;
– der “intellektuelle Störenfried”,
– der “Intellektuelle als Feuermelder, der es versteht, mit militant gehaltenen Diagnosen Alarm zu schlagen”;
– der “Intellektuelle muss sich aufregen können … darf sich nicht einschüchtern lassen”;
– der Intellektuelle soll in “Außenseiterstellung auf seine parteipolitische Ungebundenheit […] achten, unbekümmert um die Erwartungen des Publikums im Modus bewußt provokanter Übertreibung sich doch bitte als Ruhestörer […] plazieren”;
– “Haben wir die Hochzeit intellektueller Tabubrecher nicht auch deshalb hinter uns, weil es kein Tabu mehr gibt, das noch zu brechen wäre?

Unsere Antwort auf den Tabumangel: Wir können liefern. 

Unser Kommentar: Offensichtlich haben wir bisher als “Ruhestörer” nicht hinreichend “provokant übertrieben”, mit “militant gehaltenen Diagnosen” nicht genügend “Alarm geschlagen”, die “Szene nicht aufgemischt”. 

Sollten die beinharten Unterdrücker und Gleichschalter der FAZ sich wirklich nach Ruhestörern und Störenfrieden sehnen, dann müßten sie entweder eine Fliege im Helm haben oder an Depressionen leiden. Beides erscheint unwahrscheinlich. 

Die skurril-sentimentale Bitte um Störung ist daher eine Heuchelei und in Wahrheit das genaue Gegenteil: Eine Beschwörung und Abwehrzauber gegen die Diskussion von Tabus und gegen jegliche Ruhestörer und Störenfriede! Es gibt kein Tabu mehr, das zu brechen wäre – also braucht man auch keine Tabubrecher und Ruhestörer. 

Für die großartige Steilvorlage (Christian Geyer: Ist Hecheln unsere Leitgeschwindigkeit?) und das vorzügliche Timing danken wir der FAZ-Redaktion. Die “verfassungsrechtlich verbürgten” Rollen von “Berufskritikern”, “intellektuellen Eingreifern”, “intellektuellen Störenfrieden”, “Feuermeldern”, “Ruhestörern” usw. sind und bleiben unsere Traumjobs. 

In dieser Gesellschaft voller Sehnsucht nach Querdenkern und Ruhestörern, in der der Fortschritt nicht mehr aufzuhalten ist und es anscheinend nur noch an Tabus mangelt, wird es von den Repräsentanten der Öffentlichkeit kommentarlos schweigend hingenommen und wahrscheinlich sogar wohlwollend akklamiert, daß in einer Teildisziplin der Naturwissenschaften die Mehrheit des Faches ihre kritische Minderheit kurzerhand hinauswirft, die Kritiker böswillig verleumdet als Dummköpfe, Quertreiber, Neider, Psychopathen, Nazis, Antisemiten und Stalinisten, ihre kritischen Veröffentlichungen unterdrückt oder, sofern doch erschienen, von der fachlichen und öffentlichen Rezeption ausschließt. 

Das eigentlich öffentlich finanzierte und angeblich öffentlich betriebene Wissenschaftsfach darf zur Beute seiner Mehrheitsanführer werden, als privates Rittergut eingesackt und nach Gutsherrnart bewirtschaftet werden, ein rechtlich exterritoriales Gebiet, wo unsere Gesetze nicht gelten. Die Bürger als Kritiker werden behandelt wie Abtrünnige aus gewissen Sekten, wie rechtlose Dissidenten in den Ostblockdiktaturen der jüngsten Vergangenheit, ihrer Grundrechte auf Wissenschaftsfreiheit, Schutz vor Diskriminierung und freie Berufswahl vollständig beraubt und durch die Gleichschaltung der Gesellschaft von allen Äußerungsmöglichkeiten in der Öffentlichkeit abgeschnitten. Die Obrigkeit mit ihren Kontrollfunktionen auf allen Ebenen sanktioniert diesen Zustand, der seit Gründung der Bundesrepublik besteht. Niemand, auch die zuständigen Organe nicht, will diesen Zustand bemerkt haben, nicht einmal seit Dezember 2001. 

Ein schärferer Kontrast ist kaum denkbar: Ein Wissenschaftsfach gewissermaßen wie ein Gulag mitten im Paradies. (Haben wir damit hinreichend provokant übertrieben?) Ist es eine Laune der Natur oder ein Wunder oder ein Verbrechen? Auf jeden Fall ist es eine gesellschaftliche Schizophrenie ohnegleichen, die einer Erklärung harrt. 

Die Ethnologie und die Psychopathologie der Nationen oder der Gesellschaften sind hier gefragt.

Hat Deutschland nach zwei Weltkriegen und einem Völkermord vielleicht als letzten Rest seiner Ehre nur noch den Glauben an eine intakte physikalische Theorie, die nun unter gar keinen Umständen durch Zweifel oder gar Kritik befleckt werden darf? (In gewissen Ländern wird die Befleckung der Staatsehre strafrechtlich verfolgt.) 

Kann es bei einer physikalischen Theorie um den Heiligen Gral der Nation gehen? Woher bezieht diese gewaltige (und gegen die Kritiker gewalttätige) Verdrängung der Wirklichkeit ihre Energien? Warum unterwerfen sich alle Leuchttürme unserer Gesellschaft, die schon viele (oder gar alle) Tabus geknackt haben wollen, widerstandslos dem Großen Tabu der Gleichschaltung, über die man, weil es ein Tabu ist, nicht einmal reden darf? 

Wie kommt die große Einigkeit gegen ein paar kritische Köpfe zustande, die nur beschriebene Blätter produzieren und Dateien ins Netz stellen können? Warum müssen sie zu Unpersonen gemacht werden? Warum muß die Allgemeinheit vor ihnen geschützt und ahnungslos gehalten werden – eine Allgemeinheit, die sonst völlig seelenstark und unzimperlich über Folter und Flugzeugabschuß diskutieren kann? 

Gibt es vielleicht irgendeine geheime historische oder politische oder soziale Rechnung, für die ausgerechnet die aufgewecktesten und beweglichsten kritischen Geister unseres Landes bezahlen sollen? Ist vielleicht auch diese Frage schon verboten und so tabuisiert, daß niemand sie beantworten mag? 

(G.O. Mueller)



Wie man mit Albert Einstein gleichzeitig 15 Jahre und 20 Jahre älter wird

Ich verweise auf ein Thema im Mahag-Forum, wo die Frage gestellt wurde, wie die relativistischen Berechnungen für die Alterung von Drillingen in einem Drillingsparadoxon aussehen würden. 

Es gibt aber offensichtlich keine mathematische Lösung eines Drillingsparadoxons aufgrund der Verletzung der Transitivität, siehe hier.  Ich versuche mit Worten und mit einem Zahlenbeispiel das Problem zu verdeutlichen:

Wenn für den reisenden Drilling B die Trennung 20 Jahre und für den reisenden Drilling C die Trennung 15 Jahre gedauert hat, dann hat die Trennung für den  Erdling A gleichzeitig 20 Jahre und 15 Jahre gedauert… Was nicht sein kann: Eine und dieselbe Trennung kann ja nicht für eine und dieselbe Person zwei Dauer betragen und ein Organismus kann ja nicht gleichzeitig 15 Jahre und 20 Jahre älter werden.

Mir ist zwar klar, dass sowohl Zwillinge als auch Drillinge vor und nach der Trennung gleich alt sind, aber es wird im Bildungssytem und in der Öffentlichkeit ganz anders gelehrt und tradiert: nicht nur die  Uhren der reisenden Brüder sollen konkret langsamer gehen, sondern sie sollen auch biologisch langsamer altern.

Die Berechnung von Altersunterschieden wird sogar als Übung in den Schulen mathematisch trainiert und in den Medien populärwissenschaftlich erläutert. Siehe zum Beispiel G.O. Mueller in seinem Brief an 221 Journalisten vom Februar 2006:

Halten Sie die Indoktrinierung der Schüler der gymnasialen Oberstufe mit der Rechenaufgabe, das Jungbleiben des weltraumreisenden Zwillings nach seiner Rückkehr zu seinem Zwillingsbruder auf der Erde aufs Jahr genau zu berechnen, für berechtigt, obwohl noch keine einzige experimentelle Bestätigung dieser Art vorliegt und die hierzu vorgetragene Kritik vor der Fachöffentlichkeit und vor der allgemeinen Öffentlichkeit bisher verschwiegen wird?

Dass dieser Unsinn im Bildungssystem gelehrt wird ist eine Tatsache, die in Tausenden von Lehr- und Sachbüchern seit Jahrzehnten belegt ist. Dass ein biologischer Altersunterschied nach der Trennung in der Speziellen Relativitätstheorie verankert ist beruht nicht etwa auf einer Fehlinterpretation von Paul Langevin, der sich das unsägliche Zwillingsparadoxon nachträglich ausgedacht hat, sondern stammt diese irrige Vorstellung in der unsäglichen ursprünglichen Version des Zwillingsparadoxons von Albert Einstein selbst, die er als „unabweisbare Konsequenz“ seiner Erfahrung hielt (welche Erfahrung ???):

Wenn wir z.B. einen lebenden Organismus in eine Schachtel hineinbrächten und ihn dieselbe Hin- und Herbewegung ausführen lassen wie vorher die Uhr, so könnte man es erreichen, dass dieser Organismus nach einem beliebig langen Fluge beliebig wenig geändert wieder an seinen ursprünglichen Ort zurückkehrt, während ganz entsprechend beschaffene Organismen, welche an den ursprünglichen Orten ruhend geblieben sind, bereits längst neuen Generationen Platz gemacht haben. Dies ist eine unabweisbare Konsequenz der von uns zugrundegelegten Prinzipien, die die Erfahrung uns aufdrängt. [Hervorhebung im Fettdruck durch Lopez]

A. Einstein: Die Relativitätstheorie. In: Naturforschende Gesellschaft in Zürich. Vierteljahrsschrift.56. 1911, H. 1/2, S. 1-14; darin: S. 12.

Das ist ja eindeutig. Man kann also nicht behaupten, dass diese Vorstellung von biologischen Altersunterschieden nicht von Einstein stammt, auf Fehlinterpretationen zurückzuführen ist und nur den mechanischen Gang von Uhren betrifft. Die Lorentztransformation, die die Relativisten und sogar manche Kritiker als die Lösung aller physikalischen Probleme ansehen macht den Unsinn nicht sinvoller… Mathematismus hat nichts mit physikalischer Realität zu tun.  

Es geht aslo hier nicht um die Widerlegung der Speziellen Relativitätstheorie,  es geht darum, dass im Bildungssystem Unsinn gelehrt und Schwachsinn trainiert wird. Es ist skandalös und es muss korrigiert werden. Das fordert zum Beispiel G.O. Mueller und das ist völlig legitim, das ist öffentliches Interesse und Anliegen der Allgemeinheit.

(Jocelyne Lopez)



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