Blog – Jocelyne Lopez

Für die Umsetzung des Grundgesetzes

Ich gebe Kommentare wieder, die anläßlich des 11. Briefes aus meiner Mühle von
Dr. Wolfgang Herrig in ChronoLogs von Spektrum der Wissenschaft geschrieben wurden:  

 

05.10.09 – Zitat von Stefan:

… ist der Beitrag als Aufnahmeantrag für die Gesellschaft zur Förderung der wissenschaftlichen Physik e.V. gedacht, oder einfach nur eine seltsame Art von Humor?

 

05.10.09 – Zitat von Wolfgang Herrig:

Vielen Dank für den Hinweis auf diese Gesellschaft; bisher kannte ich sie nicht, und –nachdem ich kurz hineingeschaut habe- soll mein „Brief“ auch kein Aufnahmeantrag sein. Die Erwartung, dass Politiker als Schiedsrichter über eine physikalische Theorie befinden sollen, ist nämlich nur mit sehr viel Humor zu ertragen. Aber auch beängstigend. Es wäre wohl in letzter Konsequenz der Auftakt zu einer neuen Inquisition. […]

 

19.01.10 – Zitat von Jocelyne Lopez:

Lieber Dr. Herrig,

Sie haben hier das Anliegen der Forschungsgruppe G.O. Mueller, das in der Homepage der Gesellschaft zur Förderung der wissenschaftlichen Physik e.V. (zu deren Beirat ich gehöre) vorgestellt wird, gründlich missverstanden bzw. in der Tat zu kurz hineingeschaut. Es handelt sich nämlich auf gar keinen Fall um die Erwartung, dass Politiker als Schiedsrichter über eine physikalische Theorie befinden sollen, sondern gerade andersrum: Es soll im Gegenteil gewährleistet und garantiert werden, dass politische oder persönliche Interessen nicht über eine physikalische Theorie befinden!

Gerade zu diesem Zweck hat das Grundgesetz unseres Rechtsstaates mit sinnvollen und weisen Bestimmungen vorgesorgt und den Akteuren des Wissenschaftsbetriebes eindeutige Verpflichtungen vorgeschrieben, einschließlich für den Staat selbst als wichtigster Akteur des Wissenschaftsbetriebes (Bildung und Forschung). Hier kann z.B. der Bonner Kommentar zum Grundgesetz herangezogen werden, wohl der aktuell umfangreichste mit gegenwärtig 145 Seiten Erläuterungen (S. 19-163) allein zu Art. 5 § 3 (Wissenschaftsfreiheit). Nachstehend einige Auszüge daraus (Hervorhebungen im Fettdruck durch mich):

– Die Wissenschaftsfreiheit zwingt nicht zuletzt dazu, die Vielfalt der wissen-schaftlichen Ansätze im Sinne eines Wissenschaftspluralismus mit dem darin liegenden Innovationspotential zu respektieren, zu schützen und zu fördern; für den Staat führt dies zu einem Gebot der Nicht-Identifikation
(S. 41).

– Die Förderung der Wissenschaft durch den Staat muß dem “Gebot meinungsneutraler Wissenschaftspflege” entsprechen (Seite 34).

der Staat, der sich als Kulturstaat versteht, hat die Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die nächstfolgende Generation durch Bereitstellung von personellen, finanziellen und organisatorischen Mitteln zu ermöglichen und zu fördern. (S. 28-29)

– Für die freie wissenschaftliche Entfaltung reicht es nicht aus, in Art. 5 Abs. 3 GG nur den Schutz der individuellen Freiheit des beamteten Wissen-schaftlers zu erblicken. (S. 21)

Der Staat hat durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass das Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung so weit unangetastet bleibt. (S. 22).

Übergeordnetes Ziel ist die Organisation eines ‘freiheitlichen Wissenschaftspluralismus’. (S. 23).

– Die Wissenschaftsfreiheit ist mehr als ein Spezialfall der Meinungsfreiheit des beamteten Hochschullehrers. (Seite 40)

– Der Wissenschaftler muss das eigene Forschungsresultat zum bisherigen Stand der Erkenntnisse in Bezug setzen und sich zumindest ansatzweise mit Gegenpositionen auseinandersetzen. […] Das Verfassungsgericht verfährt bei der Anwendung dieser Kriterien sehr großzügig (”weit zu verstehende(r) Wissenschaftsbegriff”) und spricht einem Werk die Wissenschaftlichkeit nur dann ab, wenn “es nicht auf Wahrheitserkenntnis gerichtet ist, sondern vorgefaßten Meinungen und Ergebnissen lediglich den Anschein wissenschaftlicher Gewinnung oder Nachweisbarkeit verleiht”. Indiz dafür ist “die systematische Ausblendung von Fakten, Quellen, Ansichten und Ergebnissen, die die Auffassung des Autors in Frage stellen” (S. 42)

Das Grundgesetz hat also für den Staat eindeutige Pflichten im Interesse der Allgemeinheit definiert, z.B. mit den Geboten der Nicht-Identifikation und der meinungsneutralen Wissenschaftspflege, die er durch geeignete organisatorische Maßnahmen bei der Wissensvermittlung an die nachfolgenden Generationen zu ermöglichen und zu fördern hat.

Jedoch:
Die Lehrinhalte im öffentlichen Bildungssystem im Bereich der theoretischen Physik identifizieren sich einzig und allein mit der Relativitätstheorie, von der Grundschule bis zur Uni, die als einzig gültige Theorie seit Jahrzehnten gelehrt wird, und sie blenden auch systematisch Fakten, Quellen, Ansichte und Ergebnisse aus, die diese Theorie in Frage stellen.

Andere Nachweise von Pflichtverletzungen des Staates sind z.B. hier dokumentiert, sowie im Offenen Brief der Forschungsgruppe G.O. Mueller an 639 Staatsrechtslehrer, der in der Bibliothek des Bundesverfassungsgerichts katalogisiert ist.

Es ist also nachweislich, dass der Staat seit Jahrzehnten seine Verpflichtungen gemäß Grundgesetz Art. 5 § 3 „Wissenschaftsfreiheit“ vernachlässigt.

Auf die Einhaltung und die Umsetzung von sinnvollen, demokratischen und gerechten Bestimmungen des Grundgesetzes hinzuweisen ist in meinen Augen nicht „beängstigend“, wie Sie es ungerechtfertig empfinden, lieber Dr. Herrig, sondern im Gegenteil legitim und verantwortungsbewusst im Sinne der wissenschaftlichen Wahrheitssuche und des Schutzes der Grundrechten von Menschen und Bürgern.

Herzliche Grüße
Jocelyne Lopez



Comments

  1. Februar 7th, 2010 | 10:58

    […] Weil sie das müssen. Aus wissenschaftlichen, pädagogischen, moralischen und rechtlichen Gründen. Sie dürfen sich den Studenten gegenüber mit keiner Theorie identifizieren und das Gebot der meinungsneutralen Wissenschaftspflege respektieren. Das steht so in unserer Verfassung. Das wird also schon seine Richtigkeit haben, da haben sich schon ein paar kluge Köpfe Gedanken darüber gemacht, meinst Du nicht? Siehe Für die Umsetzung des Grundgesetzes. […]

  2. Februar 22nd, 2010 | 14:39

    […] Interesse der Allgemeinheit zu respektieren, u.a. im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit (siehe z.B. hier). Er ist ein Staatsdiener und wird von den Steuerzahlern bezahlt. […]

  3. November 29th, 2010 | 08:52

    […] meint. Es wäre aber in einem Lehrbuch wissenschaftlich, redlich und angebracht (und auch sogar vom Grundgesetz ausdrücklich vorgeschrieben) zumindest ansatzweise den Studenten den Zugang zu Gegenpositionen bei […]