Blog – Jocelyne Lopez

G.O. Mueller: Ein Experiment der besonderen Art

Man hat mich in Diskussionsforen schon gefragt, warum die Forschungsgruppe G.O. Mueller ihre Dokumentation den sonderbaren Untertitel gegeben hat: „Ein dokumentarisches Gedankenexperiment über 95 Jahre Kritik (1908-2003) mit Nachweis von 3789 kritischen Arbeiten„. Die Frage habe ich mich allerdings schon selbst gestellt.

Jetzt gibt das GOM-Projekt Auskunft über sein Gedankenexperiment der besonderen Art, mit der Aufnahme des neuen Kapitels 9 mit dem Titel:

Das Gedankenexperiment

der in die Gesamt-Dokumentation eingebunden worden ist (siehe auch im Blog von Ekkehard Friebe), zum Beispiel:

 

Das Gedankenexperiment

Mit der Verantwortung der Verantwortlichen hat es eine besondere Bewandtnis: das Gehalt schleppen sie immer weg, die Verantwortung lassen sie gern liegen. Sie haben sie jedenfalls nie bei sich, wenn es darauf ankommt. 

Das Projekt hat sich deshalb vorgenommen, in einem Experiment zur Relativitätskatastrophe diese populäre Erfahrung an den Einzelnen zu testen. Da Verantwortung ein persönlicher Anspruch ist, kann er auch nur individuell getestet werden. Ein repräsentativer Querschnitt unter den Verantwortlichen wird informiert und gebeten, seiner Verantwortung gemäß zu handeln. Wir nennen es unser Gedankenexperiment. Es ist das erste wahre und bisher einzige wirkliche Gedankenexperiment, nämlich über die Wirkung kritischer Gedanken bei den Verantwortlichen in der Gesellschaft. 

Gedankenexperimente erfreuen sich seit einigen Jahren großer Beliebtheit, weil man sie mit wissenschaftlicher Erkenntnis verwechselt, ein besonders in der Relativistik gepflegter Trick. Sie begeistern sogar die Feuilletons und solche Disziplinen, die sonst eigentlich gar keine Experimente veranstalten und deshalb gar nicht wissen, was ein Experiment ist. Wenn es aber um Gedanken geht, wollen alle dabei sein. Ihre Experimente sollen aller Welt suggerieren, daß sie Gedanken haben. 

Das laufende Gedankenexperiment unseres Projekts ist gar nicht schwer durchzuführen, wenn man von der Arbeit und dem finanziellen Aufwand absieht. Zur Durchführung wird eine zweistufige Auswahl der Adressaten getroffen: zuerst die einschlägigen Adressatengruppen, dann in jeder Gruppe die einzelnen Personen oder Körperschaften. Diese Auswahlvorgänge sind nie abgeschlossen, sondern auf beiden Ebenen wird laufend weiter nach geeigneten Adressaten recherchiert. 

Folgende Adressatengruppen haben wir bereits betreut: 

Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens
Publizisten, Journalisten und Autoren
Redaktionen der gedruckten Massenmedien
Parteivorstände und Parlamentsfraktionen im Bundestag und den Länderparlamenten
Bundestagsabgeordnete
Kultus- und Wissenschaftsministerien in Bund und Ländern
Bund-Länder-Gremien zur Wissenschaftsorganisation
Professoren und Studentenvertretungen der Hochschulen
Akademien der Wissenschaften
Evangelische Akademien
Schulbuchverlage
Elternvertretungen an Schulen
Diskutanten in den Internetforen
Bibliotheken

Gegenwärtig werden weitere interessante Gruppen recherchiert und dürfen künftig mit Einbeziehung in das Gedankenexperiment rechnen.

Die Ergebnisse des Experiments werden protokolliert und veröffentlicht, was durch die im folgenden abgedruckte chronologische Liste aller Schreiben geschieht, die vom Projekt und seinen Partnern an die Adressaten des Gedankenexperiments versandt worden sind (S. 49-192). Auch damit beschreiten wir einen neuen Weg.

 

Lassen Sie sich überraschen – oder wird es vielleicht doch keine Überraschung? –  wie die Verantwortliche mit ihrer Verantwortung umgehen…



Comments

  1. Februar 22nd, 2010 | 14:36

    […] Ich komme auf Aussagen aus dem Kapitel 9 der Forschungsgruppe G.O. Mueller Das Gedankenexperiment:  […]

  2. Februar 25th, 2010 | 08:48

    […] Ich komme auf Aussagen aus dem Kapitel 9 der Forschungsgruppe G.O. Mueller Das Gedankenexperiment zurück:  […]

  3. Juni 10th, 2010 | 10:54

    […] Die Aussage, ein Hochschullehrer oder sonstiger Angestellter des Staates könne sich nicht anders verhalten, als die Kritik zu ignorieren ist meiner Meinung nach zu differenzieren. Natürlich gibt es viele Staatsdiener, die nur ausführende Kräfte sind und sie können sich nicht anders verhalten als Anweisungen zu folgen, wie überall sonst in der Arbeitswelt. Es gibt aber zwangsläufig auch Mitarbeiter, die Anweisungen erteilen: Behördliche Richtlinien und Entscheidungen fallen ja nicht vom Himmel, sie werden von Mitarbeitern dieser Behörde initiiert, gesteuert und durchgesetzt, es handelt sich um menschliche Handlungen, sprich um individuelle Verantwortung. Es gibt also individuelle Verantwortliche auch in einer für die breite Öffentlichkeit völlig anonymen Behörde. Und Verantwortung ist nun mal ein persönlicher Anspruch, hier zitiere ich G.O. Mueller, Das Gedankenexperiment: […]

  4. Januar 15th, 2011 | 08:05

    […] Zitat G.O. Mueller – Das Gedankenexperiment […]