Blog – Jocelyne Lopez

G.O. Mueller: Die Katastrophe der Bildungsunfähigkeit

Eine Leseprobe aus dem neu veröffentlichten Kapitel 9 der Dokumentation von G.O. Mueller Das Gedankenexperiment: 

 

Die Katastrophe der Bildungsunfähigkeit

Wenn vorzügliche Bücher wie die von Theimer 1977 (2005 wunderbarerweise neu erschienen) und Galeczki und Marquardt 1997 (leider immer noch vergriffen und bisher nicht neu aufgelegt) von einer öffentlichen Wahrnehmung ausgeschlossen werden können, dann ist das ein sicheres Anzeichen dafür, daß unsere Gesellschaft schwer erkrankt ist. 

Das ist eine ganz sachliche Feststellung. Unsere Gesellschaft ist entweder blind oder taub oder beides oder drogenabhängig oder sonstwie geistig oder seelisch gestört, vielleicht auch einfach dem Schwachsinn verfallen: unter Schwachsinn faßt man alle Erscheinungen der Debilität bis zur Idiotie zusammen, laut Lexikon erkennbar an der Bildungsunfähigkeit. Wenn dies einem Einzelnen geschieht, so ist es ein unabwendbares, schweres Schicksal. Wenn es einer ganzen Gesellschaft geschieht, dann ist es vorsätzlich organisiert worden, und es gibt Verantwortliche, die an den richtigen Knöpfen der Machtverhältnisse gedreht haben. Da es kunstvoll herbeigeführt worden ist, kann es auch überwunden werden. 

Dieser Kreis von Verantwortlichen ist zwar nur unscharf abzugrenzen, aber es gibt ihn. Man muß diesen Leuten zuhören, wenn sie sich anpreisen: sondermaßen intelligent, immer geistvoll, ungeheuer gebildet, ethisch hochstehend, Tag und Nacht schwer an ihrer Verantwortung tragend, bedeutend durch ihre Geldbezüge oder Amt oder ihren Einfluß bis zur eigenen vierten „Gewalt“ im Staat, dann angeblich sogar investigativ tätig und immer das Allgemeinwohl im Sinn. 

Insgesamt also handelt es sich um die Geistesgrößen, Leuchten, Koryphäen und Stützen unserer Gesellschaft, ihre Crème und Elite. Es sind unsere Besten. Mancher von ihnen schreibt sogar Gedichte auf die Naturwissenschaften. Diese Leute sind nach ihrem Selbstverständnis, ihren Ämtern, Funktionen und Einflußmöglichkeiten verantwortlich für die Informierung und die Nicht-Informierung der Öffentlichkeit und folglich auch für die Unterdrückung der Kritik und für die Zensur in den Medien und in allen Schaltstellen unseres Bildungssystems, praktisch in der ganzen bundesdeutschen Gesellschaft. 

Diese Leute also, unsere Besten, sind verantwortlich oder mitverantwortlich für eine kulturelle Katastrophe bisher ungekannten Ausmaßes, die Katastrophe der Relativität, weshalb es wichtig ist, ihre Verantwortung zu testen und das Ergebnis festzuhalten. 

Die Verantwortung dieser Leute gegenüber der Öffentlichkeit bestünde lediglich darin, die Gesetze zu achten und das zu tun, wofür sie bezahlt werden. Die Akademiker müßten nur das Recht auf Freiheit der Wissenschaft achten (GG Art. 5, Ziffer 3), und die Repräsentanten der Öffentlichkeit müßten nur die Öffentlichkeit informieren. 

Bisher aber streiken beide Personengruppen unserer Besten, verweigern ihre Leistungen und tun stattdessen das entschiedene Gegenteil: sie mißachten die Gesetze und weigern sich, das zu tun, wofür sie bezahlt werden. Die Öffentlichkeit ahnt nichts von diesen bizarren Verweigerungen und wähnt sich im Paradies von freiheitlichem Rechtsstaat, allgemeiner Geltung der Grundrechte, Wissenschaftsfreiheit und freier Information durch ihre Medien. 

Wenn man die in den Medien inszenierte öffentliche Empörung über die aufgeflogenen kleinen akademischen Laborfälscher, intelligenten Plagiatoren, dümmeren Kombinatoren von nicht zusammenpassenden Texten und Grafiken, Trickkünstler und Titelhändler der letzten Jahre in den akademischen Wissenschaften beobachtet hat, dann fragt man sich, wie diese Gesellschaft reagieren will, wenn einmal der Relativitätsbetrug auffliegt. 

Daß unser Projekt die Katastrophe diagnostiziert und die Verantwortungsfähigkeit unserer Besten im Experiment testet, gehört zum neuen Weg. Wir kennen bisher nur sehr wenige unter den Kritikern, die uns in der Diagnose vorausgegangen sind, jedoch (fast) keinen, der daraus die Konsequenzen gezogen hätte und die Information der Gesellschaft über die Katastrophe zu einem Hauptziel seiner Aktivitäten gemacht hätte. 

(G.O. Mueller)