Blog – Jocelyne Lopez

13 – Das Forschungsprojekt G.O. Mueller zieht eine Zwischenbilanz

Nachstehend 13. Abschnitt der bisher unveröffentlichen Arbeit Das Forschungs-
projekt G.O. Mueller zieht eine Zwischenbilanz
, die im Forum von Ekkehard Friebe als Fortsetzungsreihe vorgestellt wird:

1940, November – Das „Religionsgespräch“ der Physiker in München

Im 2. Weltkriegsjahr hält es der NS-Dozentenbund für wichtig, die Polemik zwischen den Kritikern und der weit überwiegenden Mehrheit von Anhängern der Relativistik zu beenden und den Sieg der Relativisten festzuschreiben. Er veranstaltet am 15.11.40 in München ein Streitgespräch mit Vertretern beider Seiten und einigt sich auf eine Waffenstillstandsformel von 5 Punkten, von denen Punkt 2 besagt: Die Spezielle Relativitätstheorie ist fester Bestand der Physik, nur in der Kosmologie noch zu prüfen.

Die Relativisten behielten also unter den Nationalsozialisten genau die Redefreiheit, die sie selbst seit 1922 den Kritikern verwehrt hatten. Die erstaunliche Bestätigung der Relativitätstheorie, offiziös und öffentlich durch eine NS-Parteistelle wirkt noch heute im Bewußtsein mancher Theorieanhänger als ein Triumph und Beweis für die Theorie. Kürzlich hat ein Diskutant in einem Internetforum als Beweis für die Richtigkeit der Relativitätstheorie darauf hingewiesen, daß nicht einmal die Nazis sie hätten abschaffen können. Politischpsychologisch zweifellos ein Triumph der Theorie, physikalisch belanglos. (Dok. Kap. 3, S. 326 – 327).

1949/50 – Gründung von zwei neuen kritischen Zeitschriften

1949 wird in Italien die Zeitschrift Methodos gegründet; in Deutschland 1950 die Zeitschrift Philosophia naturalis„. Beide haben der Theoriekritik eine Bühne gegeben; aus „Methodos“ konnten wir bisher Aufsätze aus den Jahren 1955 – 58 nachweisen; aus „Philosophia naturalis“ aus den Jahren 1957 – 86. (Dok. Kap. 6, S. 975 u. 991 – 992.)

1954 – Frederick Soddy verschreckt seine Nobelpreis-Kollegen: fordert eine Untersuchung, ob die mathematische Physik überhaupt als Wissenschaft gelten kann

Auf der 4. Konferenz der Nobelpreisträger in Lindau rechnet der Chemiker Soddy (war beteiligt an der Entdeckung der Isotopen) in einem Vortrag am 30.6.54 mit der mathematischen Physik ab; als Chemiker polemisiert er gegen die Beherrschung der Chemie durch die Physiker bis hin zur Umwidmung traditionsreicher Lehrstühle (eine Parallele zum „Terror der Einsteinianer“ 1931); als Naturwissenschaftler stellt er die Tendenz der mathematischen Physik bloß, aus mathematischen Beziehungen eine Existenz physikalischer Effekte in der Wirklichkeit zu behaupten und führt als Paradebeispiel die Relativitätstheorien vor, die er als „pretentious humbug„, „fantasy„, „mysticism„, „dogma„, „charlatanry“ und „obscurantism“ klassifiziert. Der Redetext ist eine sehr unterhaltsame Lektüre und eine Bestätigung der schärfsten Kritiker von jemandem, den die Relativisten von keiner Seite aus verleumden können.

Die vornehme Welt der Lindauer Treffen hat darüber natürlich nichts nach außen dringen lassen. In den Veröffentlichungen einiger Kritiker tauchten seither aber kürzere und längere Zitate aus Soddys Vortrag auf mit dem Hinweis, daß die Quelle unbekannt sei. Auch G. Galeczki und P. Marquardt haben noch 1997 in ihrem Buch „Requiem für die Spezielle Relativität“ für ihr Zitat (S. 34) nur auf „undichte Stellen“ verweisen können. Einen ersten Hinweis hatte aber schon G. Barth 1959 gegeben, und unsere Dokumentation weist als Quelle die englische Zeitschrift „Atomic digest“ nach. (Dok. Kap. 3, S. 335 – 336; Kap. 4, S. 791 – 793.)

(G.O. Mueller)