Blog – Jocelyne Lopez

Eric J. Lerner: Urknalltheorie als kreationistische Philosophie und Verwischung der Trennlinie zwischen Wissenschaft und Science-Fiction

Ich verweise auf ein Interview mit Eric J. Lerner, Präsident der Lawrenceville Plasma Physics Inc. in New Jersey im Onlinemagazin VISION: ?Der Urknall – Wissenschaft oder XY-ismus?

Nachstehend einige Auszüge:

?„Die Urknalltheorie ist im Wesentlichen eine kreationistische Philosophie. Sie ist kreationistisch, weil sie die Tür zu einem übernatürlichen Ursprung des Universums selbst öffnet, und auch weil sie im Grunde besagt, dass das Universum absurd scheint. Wir sollen daran glauben, weil die Experten sagen, dass sie wahr ist.“
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Die Astronomie ist ein viel weiteres Feld als die Kosmologie, und ich denke, wir haben eine Menge wirklich solider Kenntnisse über die Geschichte und Entwicklung von Sternen und in gewissem Maß auch Galaxien. Unsere Weltraumwissenschaft, unser planetarisches Wissen wächst rasant. Doch auf der Ebene der Kosmologie – der Ebene der Makrostruktur des Universums und seiner Geschichte – bewegen wir uns in die falsche Richtung. Samuel Langley hat einmal gesagt, das wissenschaftliche Establishment könne sein wie eine Hundemeute, die geschlossen einer falschen Spur hinterher rennt. Das ist es, was neu orientiert werden muss.
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Es besteht sicher eine große Spannung zwischen dem Urknall und einem der Grundpfeiler der naturwissenschaftlichen Methode, nämlich dem Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Eines der Dinge, die Naturwissenschaft von Aberglauben unterscheidet, ist, dass es für jede Wirkung eine natürliche Ursache gibt. Offensichtlich ist der Urknall eine Wirkung ohne Ursache. Dies ist einer der Gründe dafür, dass es so viel bedauerliche Interaktion zwischen Religion und Kosmologie gibt. Die heutige Kosmologie öffnet einer übernatürlichen Ursache wie Gott Tür und Tor. Es gibt Bemühungen, darum irgendwie herumzukommen.
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Selbst wenn unser wissenschaftliches Wissen so zunimmt, dass wir Billionen von Jahren zurückschauen könnten – es gäbe immer einen vorausgegangenen Zustand, zu dem man zurückgehen muss. Es ist im Wesentlichen eine in die Vergangenheit und in die Zukunft unendliche Kette von Ursache und Wirkung.
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In den meisten Bereichen der Naturwissenschaft muss man, wenn zwischen Beobachtung und Experiment ein klarer Widerspruch besteht, die Theorie verwerfen. Die Geschichte der Urknalltheorie ist aber so verlaufen, dass neue hypothetische Einheiten eingeführt wurden, für die es keine Belege gibt, außer dass sie die zugrunde liegende Theorie retten. Der Begriff „Inflation„, der ein Feld und eine Energie beinhaltet, die völlig unbekannt sind, wurde vor 25 Jahren eingeführt, um den Urknall trotz vieler sehr schwerwiegender Widersprüchen in der Beobachtung zu halten. Bald darauf kam die nichtbarionische „dunkle“ Materie hinzu und in den letzten zehn Jahren die dunkle Energie. Das ist einfach keine zulässige Art, Wissenschaft zu betreiben. Es erinnert sehr an die Epizyklen, die das ptolemäische Weltbild in den Jahrhunderten seiner Vorherrschaft belasteten.
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Für mich ist das Verheerendste an der Urknall-Kosmologie, um wieder meinen Mentor Alfvén zu zitieren, dass sie „die Trennlinie zwischen Wissenschaft und Science-Fiction verwischt„. Wenn man eine kosmologische Vorstellung hat, in der das Universum nicht wirklich verstehbar ist, in der es Einheiten gibt, die einfach aus dem Nichts herbeigezaubert werden wie dunkle Energie und dunkle Materie, und die Rechtfertigung lautet: „Man muss die sehr komplizierte mathematische Struktur verstehen„, dann kann der Normalverbraucher es eben nicht verstehen. Es vermittelt die Botschaft, dass naturwissenschaftliches Wissen allein den Experten zu überlassen ist. Das ist etwas ganz anderes als die Vorstellung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, dass naturwissenschaftliches Wissen zum Allgemeingut für den vernünftigen Durchschnittsmenschen gemacht werden kann.
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Was da geschieht, ist eine Abwertung der Naturwissenschaft; sie sieht dadurch sehr nach einem System aus, das auf Glauben basiert. Man „glaubt“ der Wissenschaft, weil der Experte es so sagt, nicht weil man sich in einer allgemeinen Weise davon überzeugen kann, dass es einen Sinn ergibt und dem entspricht, was man über das Funktionieren des Universums denkt. Es ist eine wirkliche Entwertung der wissenschaftlichen Methode, die besagt: „Prüfe die Theorie anhand intensiver Beobachtungen.“ Wenn die Beobachtung der Theorie widerspricht, verwirf die Theorie. Auf dieser Basis hätte die Urknalltheorie schon vor Jahrzehnten verworfen werden müssen. Diese Abwendung von der wissenschaftlichen Methode und die Wiedereinführung der Vorstellung, dass man sich in Sachen Wissen auf die Experten verlässt, ist sehr verhängnisvoll.

Ich denke sicher, dass die Kosmologie, wie sie heute existiert, einem mittelalterlichen Weltbild entspricht: Das Universum wurde in einem mehr oder minder vollkommenen Zustand durch Gott geschaffen, und seither geht es mit ihm bergab. Das passt sehr gut zu dem, was die Urknalltheorie sagt. Und mit Sicherheit hat es Auswirkungen auf das intellektuelle und philosophische Denken in der akademischen Welt. Das Denken in der Wissenschaft ist nicht immun gegen das, was in der Gesellschaft geschieht. Es ist kein Zufall, dass die Popularität der Urknalltheorie in den letzten 30 Jahren enorm gestiegen ist – genau dem Zeitraum, in dem die Weltwirtschaft in eine lang anhaltende Krise eingetreten ist. Hier auf der Erde ist es eindeutig bergab gegangen, und zwar seit geraumer Zeit – mehr als einer Generation. […]

(Eric J. Lerner)