Blog – Jocelyne Lopez

6 – Das Forschungsprojekt G.O. Mueller zieht eine Zwischenbilanz

Nachstehend 6. Abschnitt der bisher unveröffentlichen Arbeit Das Forschungs-
projekt G.O. Mueller zieht eine Zwischenbilanz
, die im Forum von Ekkehard Friebe als Fortsetzungsreihe vorgestellt wird:

Die Vorgeschichte seit 1920

Der Zustand der Diskriminierung jeglicher Kritik an Albert Einsteins Relativitätstheorien ist schon vor 1922 eingetreten und z. B. schon 1920 von Ernst Gehrcke in einem öffentlichen Vortrag (Die Relativitätstheorie eine wissenschaftliche Massensuggestion: gemeinverständlich dargestellt [Vortrag in der Berliner Philharmonie, 24. Aug. 1920]. Berlin 1920. 31 S.) gegeißelt worden. Seine Diagnose: Die Öffentlichkeit erliegt einer Massensuggestion, wenn sie die Propaganda der offiziellen Physik in der Presse schlichtweg glaubt, ohne die Kenntnis und Beachtung der existierenden Kritik. Ohne das Wort „Betrug“ durch die Wissenschaftler zu verwenden, war „Massensuggestion“ durch die Presse, von den Wissenschaftlern gesteuert, nur eine vornehme Umschreibung.

Wie hat die Öffentlichkeit die schon 1920 in Berlin öffentlich vorgetragene Warnung vor der „Suggestion“ und den impliziten Vorwurf des Betrugs aufgenommen? Ganz offensichtlich völlig unbeeindruckt.

Die offiziellen Relativitäts-Physiker wie Max Planck, Albert Einstein, Max v. Laue und Max Born haben die Theorie für glänzend bestätigt und jegliche Kritik ohne Diskussion für irrelevant erklärt. Die Presse hat sowohl den Vorredner der Veranstaltung in der Philharmonie am 24. August, Paul Weyland, und mit ihm auch den 2. Redner des Abends, Ernst Gehrcke, als Antisemiten verleumdet und damit jegliche Kritik mit einer Duftnote versehen, die alle anständigen Leute zu vermeiden suchten. Die Redetexte von Weyland und Gehrcke sind veröffentlicht, und wer sie liest, wird in keinem der Texte auch nur ein antisemitisches Wort finden. Woher also kam die Verleumdung als antisemitisch?

Am Eingang zum Veranstaltungsort Philharmonie hetzten nach dem verlorenen Weltkrieg die Polit-Aktivisten und Antisemiten der politischen extremen Rechten lauthals gegen Albert Einstein. Für die angeblich so „objektiv“ berichtende Presse war dies ein völlig ausreichender und obendrein schöner Vorwand, die im Saal vorgetragene vernichtende Theoriekritik von Weyland und Gehrcke gegen die Relativitätstheorien einfach verleumderisch in eine Nähe zu dem Polit-Pöbel zu stellen, wo die Relativisten die Kritik bis zum heutigen Tage gern einsperren und „unschädlich“ machen möchten. Motto: Wo schon am Eingang antisemitisch gehetzt wird, werden die Redner im Saale sicher nichts anderes tun.

Noch heute wird diese verleumderische Version der Ereignisse von 1920 in der Philharmonie auch von unseren Wissenschaftshistorikern im Dienste der Physik verbreitet. Einfacher und effektiver als mit Lügen kann man die ungeliebte Kritik nicht entsorgen. Während sich die allgemeine Historie gern damit brüstet, eine kritische Wissenschaft zu sein, trampelt unsere akademische Physikgeschichte noch heute auf den Theoriekritikern der Zwanziger Jahre herum, wie die theoretische Physik es verlangt, und hilft damit den Bestand der widerlegten Relativitätstheorien sichern: wir nennen das Sozio-Physik.

Die Blamage der Relativisten 1920 in Bad Nauheim

Nur einen Monat nach Weylands und Gehrckes Vorträgen in der Berliner Philharmonie fand in Bad Nauheim die 86. Naturforscherversammlung (Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte – GDNÄ) statt, vom 19.-25. September 1920, in der eine offene und freie Diskussion über die Relativitätstheorien stattfand, die die letzte dieser Art in Deutschland bleiben sollte. Nach den Berichten von Teilnehmern dauerte diese Diskussion aber nur etwa eine Viertelstunde und wurde von Max Planck wegen „Zeitmangel“ abgebrochen. An Quellen über diese Diskussion – im wesentlichen von Lenard und Einstein bestritten – stehen z. B. zur Verfügung:

– ein anonymer redaktioneller Bericht in der „Physikalischen Zeitschrift“ (21. 1920, S. 666-668) (referiert in unserer Dokumentation, Textversion 1.2, S. 252 – 253);

– von H. Weyl, Bericht über „Relativitätssitzung“ in der „Umschau„. 24. 1920, S. 610;

– eine Ergänzung von E. Gehrcke zu Weyl (Die Relativitätstheorie auf dem Naturforschertage in Nauheim. In: Umschau. 25. 1921, S. 99);

– von Paul Forman eine detaillierte Darstellung des Ablaufs mit Auswertung aller Quellen: „Die Naturforscherversammlung in Nauheim im September 1920„. In: Physiker zwischen Autonomie und Anpassung. Hrsg.: D. Hoffmann. Weinheim 2006, S. 29 – 58.

In der Sache konnte Einstein den kritischen Fragen Lenards (Warum fliegen nur im abgebremsten Zug alle losen Gegenstände durcheinander, aber der Turm neben dem Gleis bleibt ruhig stehen?) nichts anderes entgegenhalten als die Existenz der Fixsterne. Deshalb mußte Planck die Notbremse des „Zeitmangels“ ziehen.

Der Text des anonymen redaktionellen Berichts in der „Physikalischen Zeitschrift“ ist derart verunstaltet, daß man ihn teilweise nicht mehr versteht: so schwer hatte der Zensor zu arbeiten, bis der wahre Gang der Dinge unkenntlich gemacht war.

(G.O. Mueller)