Blog – Jocelyne Lopez

Karlheinz Baumgartl: Prof. Harald Lesch verirrt sich in die Philosophie

Ich erhielt am 16.10.08 folgende E-Mail von Karlheinz Baumgartl:

Liebe Sternfreunde,

wiederholt habe ich über Prof. Harald Lesch berichtet, der derzeit in den Medien hoch gehandelt wird. Er ist Professor an der Hochschule für Philosophie in München, die von den Jesuiten geleitet wird. Kürzlich diskutierte Lesch mit dem katholischen Theologen Thomas Schwartz über das Beten zu Gott in der Physik (mein e-Bericht vom 30.8.08 „Prof. Harald Lesch lehrt das Beten …„).

Heute zwischen 11 und 12 Uhr referierte Harald Lesch bei BRalpha im Telegym über „Akausalität„. In gewohnter Weise redete er mit Händen und Füßen auf die Zuschauer ein, dass das Prinzip „Ursache und Wirkung“ bei der „Entstehung des Universums“ (Urknall) nicht gelten würde. Es gäbe keine Ursache für den Urknall. – Den Beweis blieb er schuldig.

Dabei (beim Urknall) sei auch erst die Zeit entstanden, sodaß es sinnlos sei, nach dem Vorher (des Urknalls) zu fragen. Wir Menschen könnten demnach grundsätzlich nichts erfahren, was vor dem Urknall war. Es gäbe eine „kausale Erkenntnisgrenze„.

Das ist Harald Lesch, Professor bei den Jesuiten! Da kann man meines Erachtens nur noch gläubig werden!

Ich erinnere: die Urknall-Theorie, wonach das ganze Universum aus einer Explosion vor 15 Milliarden Jahren entstanden sein soll, ist seit Jahrzehnten widerlegt. Auch ist keine Kraft bekannt, die das ganze Universum über Milliarden Jahre auseinanderschleudern könnte (vgl. meine Infos Nr. 8 und 9). Lesch argumentiert also über etwas, das es gar nicht gibt.

Dabei hat er sich auch gründlich in der Philosophie verirrt:

Er behauptet ernsthaft, das Kausalprinzip, wonach jede Wirkung eine Ursache hat und jede Ursache eine Wirkung, sei beim Urknall-Ereignis außer Kraft gesetzt. Er greift einen längst erledigten Streit über die Gültigkeit des Kausalaxioms auf. In den 30-er Jahren des vorigen Jahrhunderts haben der Mathematiker Werner Heisenberg und der Physiker Carl-Friedrich von Weizsäcker das Kausalaxiom der Philosophie „in gewisser Weise in Frage gestellt„. Dem widersprach damals die Philosophin Grete Hermann aus Leipzig. Der Streit hatte zur Folge, daß seither in jedem Lexikon unter dem Stichwort „Kausalität“ diese Infragestellung des Kausalsatzes aufgeführt wurde ohne aber den Protest der Philosophen einzubringen. Dieser Streit war damals ein Lehrbeispiel für Unwissenschaftlichkeit in der Wissenschaft.

Der Philosoph Martin Heidegger hat über „Ursache und Wirkung“ ausführlich an der Uni Freiburg referiert („Der Satz vom Grund„, 1957, Verlag Günther Neske). Er hat diesen Streit mit einem einzigen Satz erwähnt und erledigt: „Der neuerdings viel verhandelte Streit über die Art und Reichweite der Geltung des Prinzips der Kausalität hat nur dadurch Grund und Boden, daß die Streitenden alle unter demselben Anspruch auf Zustellung des zureichenden Grundes für das Vorstellen stehen.“ Damit meint Heidegger, daß die Streitenden alle ihre Behauptungen „begründen“ (Ursache-Wirkung !) und dadurch die allgemeine Gültigkeit des Kausalprinzips selber bestätigen. Wir leben in einer Welt aus Ursache und Wirkung wie der Fisch im Wasser. Es ist unmöglich, aus dem Kausalprinzip auszubrechen.

Literatur:
Werner Heisenberg „Der Teil und das Ganze„, 1969, Piper-Verlag München

Karlheinz Baumgartl „Der Teil des Ganzen“ im Eigenverlag. Das erwähnte Streitgespräch wird auf Seite 66 der Auflage 2006 behandelt. Das Buch ist unter http://www.cosmopan.de/ kostenfrei zu beziehen.

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Harald Lesch hat auch in dieser Sendung keine eigenen Gedanken vorgebracht. Er plappert nur nach, was andere Leute lange vorher gesagt oder geschrieben haben:

1) seine Behauptung, mit dem Urknall sei auch die Zeit entstanden, sodaß es sinnlos sei, nach dem Vorher zu fragen.
Prof. Hans-Ulrich Keller (Stuttgart) schrieb im Himmelsjahrbuch 1985 – später in Wiederholung 1989 und 1994): „Mit diesem Urereignis (Urknall) ist auch die Zeit entstanden, so daß auch die Frage überflüssig wird, was vor dem Urknall geschah.“

2) Das Bestreiten der Gültigkeit des Kausalprinzips von Harald Lesch gründet auf den erwähnten Streitgesprächen aus den 30-er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Also auch hier hat Lesch nur nachgeplappert (dazu noch ohne Quellenangabe !).

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(Karlheinz Baumgartl)