8. Juli 2008
Georg Christoph Lichtenberg zur Mathematik und zu Mathematismus
Im Rahmen meines Blog-Eintrages 2008, Jahr der Mathematik oder des Mathematismus? wiedergebe ich Zitate von Georg Christoph Lichtenberg (1742 bis 1799):
Die Mathematik ist eine gar herrliche Wissenschaft, aber die Mathematiker taugen oft den Henker nicht. Es ist fast mit der Mathematik, wie mit der Theologie. So wie die der letztern Beflissenen, zumal wenn sie in Ämtern stehen, Anspruch auf einen besondern Kredit von Heiligkeit und eine nähere Verwandtschaft mit Gott machen, obgleich sehr viele darunter wahre Taugenichtse sind, so verlangt sehr oft der so genannte Mathematiker für einen tiefen Denker gehalten zu werden, ob es gleich darunter die größten Plunderköpfe gibt, die man nur finden kann, untauglich zu irgend einem Geschäft, das Nachdenken erfordert, wenn es nicht unmittelbar durch jene leichte Verbindung von Zeichen geschehen kann, die mehr das Werk der Routine, als des Denkens sind.
Die sogenannten Mathematiker von Profession haben sich, auf die Unmündigkeit der übrigen Menschen gestützt, einen Kredit von Tiefsinn erworben, der viele Ähnlichkeit mit dem von Heiligkeit hat, den die Theologen für sich haben.
Ich glaube nicht, dass durch Kalkül je eine große Entdeckung gemacht worden ist.
Wer eine Wissenschaft noch nicht so inne hat, dass er jeden Verstoß dagegen fühlt, wie einen grammatikalischen Fehler in seiner Muttersprache, der hat noch viel zu lernen.
Jeder Paragraph in der neuen Physik sollte so behandelt werden, dass man sähe, dass man ihn nicht abgeschrieben, sondern selbst dabei gedacht hat.
Es muss in der Physik fast alles neu untersucht werden, selbst die bekanntesten Dinge, weil man gerade da am wenigsten etwas Neues oder Unrichtiges vermutet.
(Georg Christoph Lichtenberg)