24. Juni 2008
Dr. Walter Theimer : Der Blick Einsteins war auf die Invarianz fixiert, die zu den mystischen Postulaten der Relativitätstheorie führt
Nachstehend Auszüge aus dem Buch von Dr. Walter Theimer Die Relativitätstheorie – Lehre – Wirkung – Kritik, Seite 168-170:
Der Mathematismus
Wir haben zur Genüge gesehen, daß es sich bei der Relativitätstheorie mehr um philosophische als physikalische Probleme handelt. Die Problematik berührt nicht nur Einzelfragen, sondern das ganze Verhältnis von Mathematik, Physik und Philosophie. Einstein ist primär Mathematiker. Die Mathematik ist für ihn die höchste Instanz. Sein Weltbild ist «mathematomorph» [Fußnote: Wir verwenden diesen Ausdruck in Anknüpfung an Topitschs Einteilung der Weltbilder in «technomorphe» und «soziomorphe» (Topitsch 1969)]. In ihm erscheint die Welt als mathematische Struktur. Sie ist geordnet und harmonisch; ihre Harmonie läßt sich in Differentialgleichungen ausdrücken. Die Ursprünge dieses Weltbilds lassen sich auf Platon und Pythagoras zurückverfolgen.
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Invarianz als oberstes Prinzip
Einsteins Ziel war ein Mathematiker-Ideal: die Naturgesetze so zu formulieren, daß sie in allen wie immer bewegten Systemen dieselbe mathematische Form annahmen, d. h. gegen bestimmte Transformationen invariant blieben. Der Laie versteht schwer, warum das so wichtig sein soll, und schon der Experimentalphysiker hält die Sache, wenn auch für löblich, nicht für das Hauptziel seiner Wissenschaft. Er zieht praktische und verständliche Gesetze vor, auch wenn sie nicht invariant sind und verschiedene mathematische Ausdrücke erfordern.
Der Blick Einsteins war auf die Invarianz fixiert. Die aus ihr gefolgerten Dinge sind automatisch wahr, denn die Invarianz repräsentiert die Struktur der Welt. Das Ideal der Invarianz ist es, das zu den mystischen Postulaten der Relativitätstheorie führt. Um die elektromagnetischen Gleichungen in allen bewegten Systemen invariant zu machen, müssen Maßstäbe kontrahieren, müssen Uhren nachgehen, muß auf Gleichzeitigkeit verzichtet werden. Der Raum muß krumm werden, um die Gravitationsgleichungen invariant zu machen. Einstein ersinnt die seltsamsten Eigenschaften der Dinge, um sie in sein mathematisches Schema pressen zu können. Wie einst Hegel die Welt aus dem Begriff konstruierte, konstruiert Einstein die Welt aus invarianten Gleichungen.
Es hat schon früher Leute gegeben, die sagten, ein genialer Mathematiker müßte alle Naturgesetze spekulativ aus der mathematischen Struktur der Welt ableiten können, ohne je aus seiner Studierstube herausgekommen zu sein. Experimente seien zur Naturerkenntnis im Grunde unnötig. Gegen diesen super-rationalistischen Standpunkt erhoben sich die Empiriker und Positivisten. Kant versuchte mit mehr oder weniger Erfolg, den rationalistischen und den empirischen Standpunkt zu vereinigen. Einstein kehrt zum rationalistischen Standpunkt zurück, vermengt ihn aber paradoxerweise mit seinem Gegenteil, dem Positivismus.
Einstein 1933: «Die Erfahrung berechtigt uns zu dem Glauben, daß die Natur die Verwirklichung der einfachsten mathematischen Ideen ist.» Auf Reichenbachs Frage, wie er zur Relativitätstheorie gekommen sei, antwortete Einstein (Reichenbach 1959): «Weil ich fest von der allgemeinen Harmonie der Welt überzeugt war.» Wir erwähnten schon, daß Einstein nach den «göttlichen Gesetzen der Welt» und dem «Geheimnis des Alten» suchte.
[…]
Man versteht jetzt die Verachtung, welche die Relativitätstheoretiker für konkrete physikalische Mechanismen hegen. Wenn aus dem Invarianzpostulat folgt, daß eine bewegte Uhr nachgeht, braucht man nicht nach einem Mechanismus zu fragen, der das bewirkt. Es ist einfach so und kann nicht anders sein. Wenn sich Einstein bei der Illustration seiner Prinzipien in logische Widersprüche verwickelt, stört ihn das ebenso wenig wie der Mangel an experimentellen Beweisen. Die Invarianz ist darüber erhaben. [Fußnote: Mohorovicic (1958, in Sapper II) spricht von «mathematischem Illusionismus».](Dr. Walter Theimer)