Blog – Jocelyne Lopez

Die Fehlbarkeit der Mathematik

Ich komme auf mein Gedankenexperiment Was würde am Strand passieren? zurück und auf Austausche mit Teilnehmern in einer Diskussion im Forum „Auf zur Wahrheit„, die genauso wie ich sich nicht vorstellen können, dass eine Welle eine konstante Relativgeschwindigkeit zu bewegten Beobachtern haben kann:

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Chris_XY:

Naja Naturgesetze müssen ja nicht zwingend der menschlichen Intuition folgen. Manchmal muss man sich eben mit mathematischen Formeln begnügen, die die Wirklichkeit zwar beschreiben, die man sich aber nicht so recht vorstellen kann.

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Jocelyne Lopez:

Ich halte Deine Entscheidung, man solle sich mit einer mathematischen Formel begnügen, für falsch.

Die Mathematik ist in der Tat eine Sprache, die die Natur beschreibt.

Wenn die Mathematik ein Phänomen beschreibt, das jedoch kein Mensch je in der Natur erfahren hat und auch kein Mensch weder mit seinem logischen noch mit seinem magischen Denken nachvollziehen kann, ist höchste Vorsicht geboten und man muß erst einmal unbedingt untersuchen, woran es liegt, bevor man entscheidet, dass die mathematische Beschreibung zwar unverständlich und unerfahrbar für alle Menschen ist, einschließlich für die Mathematiker selbst, jedoch richtig sei.

Man muß also unbedingt untersuchen woran es liegt, bevor man sich auf die Unfehlbarkeit der Mathematik blind verlässt, und hier schlage ich eine kleine Analyse der Umstände vor, die zu einer falschen Beschreibung der Natur durch die Mathematik führen können:
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1) Unbestritten kann man rein formell mit der Mathematik alles beschreiben, etwas Falsches und etwas Wahres. Man kann zum Beispiel eine falsche Theorie mathematisch korrekt beschreiben, das ist gar kein Problem, das passierte und passiert immer noch unzählige Male in der Wissenschaft. Die Mathematik entscheidet nämlich nicht über den Wahrheitsgehalt von Theorien und Annahmen, sie entscheidet nur über den Wahrheitsgehalt ihre eigenen Methoden und Regeln. Genauso wie man in einer natürlichen Sprache eine wahre oder eine falsche Aussage syntaktisch und grammatikalisch ganz korrekt aufbauen kann: Die Tatsache, dass die Aussage syntaktisch und grammatikalisch ganz korrekt aufgebaut wurde ist kein Beweis, dass diese Aussage wahr ist, oder? Ich meine, das leuchtet jedem ein.

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2) Unbestritten ist auch, dass die Mathematik rein formell sehr leicht falsche Aussagen gezielt produzieren kann, die im Ergebnis ihre eigenen Regeln verletzen und damit als ungültig erklärt werden: Das sind die unzähligen mathematischen Taschenspielertricks, die von den Mathematikern selbst als Spielereien und Unterhaltung bewußt erfunden werden, und womit sie auch selbst die Grenze ihrer Disziplin erkennen und aufzeichnen wollen.

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3) Mathematiker stoßen aber auch manchmal ungewollt auf die Grenze ihrer eigenen Disziplin mit Paradoxen, die zwar die Regeln ihrer Disziplin formell nicht verletzen, jedoch als falsch und ungültig erkannt werden, weil sie mit der Natur und der Erfahrung, sowie mit dem logischen oder dem magischen Denken der Menschen unvereinbart sind. Zwei Beispiele von solchen mathematischen Paradoxen wurden z.B. in meinem Thread im Forum von Ekkehard Friebe Ist die Mathematik eine Wissenschaft oder eine Sprache? sehr ausführlich untersucht und besprochen. Ein Teilnehmer hat dort zwei Beispiele gebracht, die mathematisch zwar fehlerfrei dargestellt werden könnten, jedoch zu unlösbaren Paradoxen und zu unzulässigen Folgerungen in der Realität führten: Passagiere stiegen aus einem Bus aus, bevor sie eingestiegen waren, oder ein Termin für einen Ausflug konnte nie festgesetzt werden und stattfinden.

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Genauso wie ich mir nicht vorstellen kann, dass 2 = 3, dass ein Passagier aus einem Bus aussteigen kann, bevor er eingestiegen ist, dass ein schnelles Auto mich langsamer überholen kann als ein langsames Auto, dass ein Termin nie festgelegt werden kann, genauso wenig kann ich mir vorstellen, dass ein Objekt eine konstante Relativgeschwindigkeit zu bewegten Beobachtern haben kann. Weil all dieser „kontra-intuitiven“ und unerfahrbaren Phänomenen auf der Fehlbarkeit der Mathematik beruhen.

(Jocelyne Lopez)



Comments

  1. Juni 28th, 2008 | 07:16

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