Blog – Jocelyne Lopez

Deutschland, Heimat der Dichter und Denker?

Warum sollte man denn in Deutschland über die Todesfuge von Paul Celan schweigen?

Ich muß sagen, dass ich bis vor 5-6 Jahren dieses Gedicht überhaupt nicht kannte, nur durch eine kurze Erwähnung der Worte „Celan“ und „schwarze Milch der Frühe“ in einer – gehobenen – Forumsdiskussion bei Wissenschaft-online. Ich habe nicht verstanden, was diese seltsamen Worte in dieser Diskussion bedeuteten (es ging übrigens überhaupt nicht um Naziherrschaft und um Holocaust) und ich kannte den Namen „Celan“ auch nicht. Ich habe nachgefragt. Man hat mir einen Hinweis gegeben, ich solle bei Google unter „Paul Celan Todesfuge“ suchen.

Ich habe dann das Gedicht im Internet völlig unvoreingenommen und frei von fremden Interpretationen, Schulunterrichten und bibliographischem Wissen über das Leben und das Werk des Autors gelesen und aufgenommen. Dass es sich um eine Symbolik der Leiden der Juden unter der Naziherrschaft und um die Ermordung von KZ-Insassen handelte brauchte mir natürlich keiner zu erklären, das habe ich ja sofort erkannt. Dass es sich um die Worte eines Überlebenden handelte, der das persönlich erlebt hatte, habe ich auch erkannt oder zumindest stark vermutet, ohne zu wissen, dass der Autor es in der Tat persönlich erlebt hatte. Das erkennt man irgendwie an seine Worte, obwohl – und vielleicht deshalb, weil das Gedicht nur aus Metaphern besteht. Die Symbolik dieser einen Metapher „schwarze Milch der Frühe„, habe ich gleich unmittelbar persönlich empfunden. Symbolik beschreibt meistens gleichzeitig mehrere Ebenen der Wirklichkeit, das ist das Faszinierende – und manchmal auch das Unheimliche bei der symbolischen Sprache.

Dass meine Interpretation Anlaß zu unglaublich brutalen Angriffen von Users aus dem Internet gegeben hat habe ich immer noch Schwierigkeiten zu verstehen.

Ich gebe z.B. nachstehend einen Austausch über diese Interpretation vor ein paar Tagen im Forum Politikforum.de wieder:

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galileo2609:

Sehen sie, Frau Lopez, sie werden ohne eine tiefere Kenntnis des Überlebens Celans nie eine ‚Begegnung‘ (sein Schlüsselwort für die Beziehung von Gedicht und Leser) mit dessen Lyrik haben. In seinen eigenen Worten:

Glauben Sie mir – jedes Wort ist mit direktem Wirklichkeitsbezug geschrieben. Aber nein, das wollen und wollen Sie nicht verstehen.“

Celans Texte beinhalten eine wahre Anamnese von ‚Daten‘, die den Gedichten als komplexer konstituierender Vorgang vorausging und in ihnen aufging. Sie beinhaltet vor allem in der ‚Todesfuge‘ die individuelle traumatische Erfahrung des Autors, die im Massenmord an den europäischen Juden kulminierte. Ohne die Einsicht in diese Schreckenserfahrung können diese Texte nicht gelesen werden. Und auch dann, werden sie an seinem „Sprachgitter“ scheitern:

Ich stehe auf einer anderen Raum- und Zeitebene als mein Leser; er kann mich nur „entfernt“ verstehen, er kann mich nicht in den Griff bekommen, immer greift er nur die Gitterstäbe zwischen uns.“

Sehen sie, Frau Lopez, sie sprechen sogar schon wieder die Unwahrheit im ‚Rausch ihrer Seele‘. Sie aufgrund des Missbrauchs der ‚Todesfuge‘ wegen Volksverhetzung verklagen zu wollen, werden sie in keinem meiner Texte finden. Ich „entrüste“ mich über ihre moralische Flatline, die in diesem Fall für ihre billige Selbststigmatisierung die Opfer des Zivilisationsbruchs verhöhnt und diesen banalisiert.

Erweisen sie sich selbst einen Gefallen, in dem sie das in Zukunft unterlassen. Und beenden sie diesen unsäglichen Missbrauchs Celans, auch und gerade auf ihrem Blog.

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Jocelyne Lopez:

Nein, Haßprediger „galileo2609„, ich sehe gar nichts…
In Deiner ganzen Analyse des Lebens und des Werkes von Paul Celan kann ich immer noch nicht erkennen, wie Deine persönliche Interpretation der Metapher „Schwarze Milch der Frühe wir trinken und trinken“ ist. Symbolen interpretiert man nicht aus Litteraturbüchern oder aus Biographien, sie sprechen direkt jeden einzelnen an. Und darum geht es doch die ganze Zeit. Ich habe Dir meine Interpretation gegeben und begründet. Du aber immer noch nicht.

Was ist also für Dich die „Schwarze Milch der Frühe„? Was hat Paul Celan damit symbolisch umgeschrieben? Das ist doch keine echte Milch, wir sind uns hier einig, nicht wahr? Das ist auch keine Milch, die man schwarz gefärbt hat, oder? Das ist bestimmt auch keine „Durst wegen Bretzeln„, nicht?

Also sag uns bitte endlich, was es Deiner Meinung nach symbolisch bedeutet. Wie interpretierst Du persönlich diese Metapher? Darum geht es doch die ganze Zeit.

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galileo2306:

Sie bleiben schon wieder im „Sprachgitter“ hängen, Frau Lopez. Lassen sie es einfach sein. Celan ist eine Nummer zu gross für sie. Mindestens eine.

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Jocelyne Lopez:

aha.
Also meinst Du vielleicht auch, wie Dein Kumpel „MontyHall – Jew of the Day„, für wen die Sprache Celans wahrscheinlich keine „Nummer zu gross ist„, dass seine Metapher bedeutet: „Diese Bretzeln machen verdammt Durst„?
aha.

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MontyHall:

Wer keinen Humor hat, versteht natürlich den jüdischen Humor nicht.

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Jocelyne Lopez:

Aha.
Deine Interpretation der Metapher von Paul Celan „Schwarze Milch der Frühe wir trinken und trinken“ aus seiner Todesfuge als „diese Bretzeln machen verdammt Durst„, das war jüdischer Humor.
Aha.

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galileo2609:

Nein, Frau Lopez, das meine ich nicht. Unterlassen sie diese tumben Fälschungsversuche einfach. Und lösen sie sich von Celan. Sie haben mit ihm nichts gemein.

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Jocelyne Lopez:

So, ich habe mit Celan nichts gemein?
Ich meine aber, ich habe mit Celan eine ganze Menge gemein.

Zum Beispiel, dass Celan ein Mensch ist, und dass ich auch ein Mensch bin. Das ist schon eine ganze Menge gemein, oder?

Zum Beispiel, dass Celan auch für mich sein Gedicht geschrieben hat, und dass ich es verstanden habe. Das ist schon eine ganze Menge gemein, oder?

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Sixpack:

Ihr moralisches Niveau ist einfach unterirdisch.

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Jocelyne Lopez:

Wieso ist „mein moralisches Niveau einfach unterirdisch„, wenn ich sage, dass Celan sein Gedicht auch für mich geschrieben hat??
Warum ist das bitte „moralisch unterirdisch„??
Für wen denn hat Celan sein Gedicht geschrieben? Nur für eine bestimmte Anzahl von Personen? Für welche Personen denn?

Für wen schreiben Dichter ihre Gedichte, wenn nicht auch für mich? Warum ist es ein „unterirdisches moralisches Niveau“ zu sagen, dass Celan sein Gedicht auch für mich geschrieben hat??

Das Gedicht von Celan wird zum Beispiel auch in den Schulen gelesen und interpretiert, oder? Sollen nur bestimmte Schüler an dem Unterricht dann teilnehmen und die Andere müssen erst einmal vor die Tür gehen? Ich wurde nie in der Schule vor die Tür geschickt, wenn Gedichte unterrichten wurden. Du?

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Sixpack:

Sie nix verstehen?
Natürlich hat Celan das Gedicht geschrieben, damit auch Sie es lesen dürfen. Er hat es für die Nachwelt geschrieben, auf das wir uns an das Leid erinnern.

Er hat es aber ganz bestimmt nicht für Sie geschrieben, damit Sie sich mit den Holocaust-Opfer gleichsetzen könne, bloss weil Ihnen in Foren etwas virtueller Widerspruch ins Gesicht bläst.

Sie meinen, ihr kleines persönliches Problemchen, das Sie seit Jahr und Tag freiwillig ins Internet tragen und das nur in Ihrem Kopf existiert, sei gleichbedeutend mit dem Leid der Holocaust-Opfer. DAS ist Ihre unterirdische Moral.

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Jocelyne Lopez:

So? Ich habe mich mit den „Holocaust-Opfern gleichgesetzt„? So?
Wo hast Du das denn phantasiert?
Belege bitte. Hole bitte meine Beiträge über die Metapher von Celan im Internet, wo ich mich „mit den Holocaust-Opfern“ gleichsetze. Keine leeren Behauptungen. Du wirst auch keine finden.

Ich habe die Verse von Celan zitiert, die sich auf Ereignisse und gesellschaftliche Mechanismen vor dem Holocaust beziehen, die „schwarze Milch der Frühe“ eben, also die Haßpropaganda, die Ausgrenzung, die Menschenverachtung, die Ächtung und die Hetze, die dem Holocaust als gesellschaftlicher Prozess den Weg geebnet haben.

Das ist meiner Meinung nach in der Metapher von Celan nicht zu übersehen, dass er frühe gesellschaftliche Mechanismen symbolisch beschreibt, die dem Holocaust vorangegangen sind und den Weg geebnet haben, zu einer Zeit, wo es noch „nach Deutschland dunkelte„:

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete Dein aschenes Haar Sulamith

Was bedeutet sonst die Metapher „schwarze Milch der Frühe wir trinken und trinken“ Deiner Meinung nach?

Warum „der Frühe„?
Warum „Milch„?
Warum „schwarze Milch„?
Warum „wir trinken dich nachts wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends wir trinken und trinken„?
Warum „der spielt mit den Schlangen„?
Warum „wenn es dunkelt nach Deutschland„?

Wie ist denn sonst Deine persönliche Interpretation dieser Metapher? Hast Du eine bessere? Kein Problem, sag sie einfach. Wir sind hier um uns auszutauschen.

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Imperator82: 

Lopez: Belege bitte. Hole bitte meine Beiträge über die Metapher von Celan im Internet, wo ich mich „mit den Holocaust-Opfern“ gleichsetze. Keine leeren Behauptungen. Du wirst auch keine finden.

Jedesmal, wenn Sie das Gedicht zitiert haben.

Lopez: Ich habe die Verse von Celan zitiert, die sich auf Ereignisse und gesellschaftliche Mechanismen vor dem Holocaust beziehen

Das ist falsch. Sie wissen definitiv nicht, wovon Sie reden und sollten unbedingt langsam Ihren ungebildeten Mund halten.

Ihre moralische Verrohung ist für anständige Menschen aus der Mitte der Gesellschaft nicht mehr zu ertragen. Halten Sie einfach Ihren Mund!

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Sixpack:

Es ist einfach grotesk!
Lassen Sie einfach die Finger davon, wenn Sie nicht mal wissen worauf sich Celan bezieht.
Oder machen Sie sich erstmal kundig.

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Deutschland, Heimat der Dichter und Denker?



Comments

  1. Februar 19th, 2008 | 19:01

    […] verweise auf meinen Eintrag in diesem Blog Deutschland, Heimat der Dichter und Denker? und wiedergebe nachstehend ein weiterer Austausch mit zwei Users aus dem Forum “Alpha […]

  2. Mai 28th, 2009 | 08:19

    […] Und da Du meinen „Gammelblog” nicht liest, dann kopiere ich extra für Dich, wie das eben war, mit dem Verbot von “galileo2609” mir gegenüber, das Gedicht von Celan zu zitieren: Deutschland, Heimat der Dichter und Denker? […]