29. November 2007
G.O. Mueller: Das Selbstbildnis der Relativistik
Das Bild, das die Physiker von der Speziellen Relativitätstheorie und ihrem Schöpfer Albert Einstein uns vor Augen stellen, ist an Großartigkeit wahrlich nicht zu übertreffen. Eine grundlegende und revolutionierende Theorie, von allen Fachleuten in der ganzen Welt bestaunt und anerkannt, in unseren Laboratorien Tag für Tag immer wieder bestätigt, und darüber hinaus auch noch mathematisch perfekt und sogar als elegant empfunden, aufgestellt von unserem „Weltweisen“, dem neuen „ Kepler-Galilei-Newton“, Physiker und Mathematiker und Philosoph in einer Person. Das Jahr 1905, in dem er außer der Speziellen Relativitätstheorie noch andere große Arbeiten veröffentlichte, wird als sein annus mirabilis verklärt und die Relativitätstheorie als die große revolutionäre Tat.
Auf die erste Großtat hat er 1916 eine zweite folgen lassen, die Allgemeine Relativitätstheorie, die uns sogar den Kosmos erklären kann, in dem wir leben. Die Darstellungen in Büchern und Abhandlungen sowohl der bedeutendsten Vertreter der Relativistik als auch der weniger bedeutenden Kompilatoren erscheinen sehr zahlreich bis auf den heutigen Tag und sind durchweg auf einen hymnischen Ton gestimmt. Es werden zwar gewisse Schwierigkeiten des Verständnisses erwähnt, die angesichts des Neuen und Ungewohnten anfangs wohl verständlich waren, inzwischen jedoch seit langem als ausgeräumt und überwunden gelten, wenn man nur mit dem richtigen Verständnis an die Sache herangeht. Irgendwelche nennenswerte Kritik an der Theorie ist nicht vorzubringen, die Theorie ist schlicht makellos.
Die überwältigende Kulturtat muss allen Menschen vermittelt werden, niemand soll sich ausgeschlossen fühlen. Für die gebildeten Schichten gibt es Darstellungen mit etwas Mathematik, für die weniger gut Vorgebildeten werden eigens Darstellungen ohne jede Verwendung von Mathematik angeboten, auf dass die Leute nicht abgeschreckt werden von der Teilnahme an dem Menschheitsereignis. Pädagogen überlegen didaktisch geschickte Darstellungen der Theorie für den Schulunterricht, damit die Jugend schon rechtzeitig mit den neuen Erkenntnissen vertraut gemacht werden kann.
Weniger hymnische Töne klingen nur ganz am Rande an, wenn ein Relativistik-Autor die Zustimmung aller Fachleute preist und bei dieser Gelegenheit irgendwelche unbegründete Kritik erwähnt, die nur noch manchmal von Nichtfachleuten und Ewiggestrigen vorgebracht wird, wenn nicht gar bösartige politische Motive dahinterstecken. In diesem Zusammenhang wird dem Leser auch geraten, keinesfalls von seinem sogenannten gesunden Menschenverstand Gebrauch zu machen, denn damit könne man die Theorie nur missverstehen. Über die Personen der Kritiker, gewöhnlich nicht namentlich erwähnt, gibt es lauter pauschale, abwertende Bemerkungen.
(G.O. Mueller)
[…] Schüler zum Selbstdenken, zur Hinterfragung und zu kritischen Einstellungen gar keine Spur. Das Selbstbildnis der Relativisten duldet auch keine Kritik und keine Hinterfragung dieser makellosen […]