Blog – Jocelyne Lopez

Gerhard Kemme zur Mathematik und zum Mathematismus

Nachstehend ein Kommentar von Gerhard Kemme zu meiner Anfrage vom 27.06.08 an die Fakultät für Mathematik von 12 deutschen Universitäten, siehe: 2008, Jahr der Mathematik oder des Mathematismus?

Im Jahr der Mathematik 2008 sollte auch etwas Diskussion und eventuell sogar ein Dialog über grundsätzliche Mathematikprobleme erlaubt sein. Es wird die Umsetzung der Mathematik auf physikalische Sachverhalte angesprochen und dabei geht es darum, ob die physikalische Realität durch eine ihr aufgeprägte mathematische Struktur determiniert werden soll oder ob der Grundsatz zu wahren ist, dass der Ausgangpunkt für angewandte Mathematik immer die konkrete Anwendung, in diesem Fall also die physikalische Realität sein sollte.

Anhand eines Beispiels soll die Problemlage, die sich ähnlich bei der Frage, ob die Lorentztransformationen eine Gruppe sind, ergibt, dargestellt werden:

Es sei die Menge S einer Gruppe (S, #) gegeben, deren Elemente die s(t) sind, welche den Weg eines Turmspringes vom 10-m-Turm beschreibt: s(t)=-9,81/2*t^2+10. Somit wäre also s(1)=-9,81/2*1^2+10=+5,095 und s(2)=-9,81/2*2^2+10=-9,62
Die Verknüpfung # ist definiert durch s(t1)#s(t2)=s(t1+t2)
Jetzt kann man also „beweisen“, dass Abgeschlossenheit gilt:
s(1)#s(2)=s(1+2) €S
-9,81/2*1^2+10#-9,81/2*2^2+10=-9,81/2*(1+2)^2+10=-34,145
Es gelten auch die anderen Gruppeneigenschaften wie Assoziativgesetz, Neutrales Element und Inverses Element.
Somit liegt der Fall wie bei den Lorentztransformationen vor, dass die Gruppeneigenschaften zwar mathematisch formal erfüllt werden, aber die Gruppenelemente aus physikalischem Unsinn bestehen, so dass man dann wieder auf die cantorsche Mengendefinition zurückkommen kann, wonach es sich um „bestimmte, wohlunterschiedene Objekte“ handeln soll. Also die Frage, ob eine Aussage, dass ein Objekt, welches von einem 10-m-Turm springt nach 6 s also -166,58 m tief sein soll, noch eine wahre Aussage darstellt. Wenn das keine wahre Aussage wäre, dann wäre das Unsinn und wir könnten dann die Gruppeneigenschaften der Gruppe (U, ~) „beweisen, wobei die Elemente dann als Unsinn (x) definiert wären mit der Verknüpfung Unsinn (x) ~ Unsinn (y) = Unsinn (x+y).

(Gerhard Kemme)