13. Mai 2008
Gedanken sind schwer
Die kontroverse Diskussion im Forum Auf zur Wahrheit anlässlich der Untersuchung des Experiments Hafele & Keating ist ergiebig und behandelt auch den Aspekt der Logik. Ich wiedergebe nachstehend einen Austausch mit einem Anhänger der Relativitätstheorie, der also an die Zeitdilatation glaubt und bemüht ist, seine Aussage logisch zu begründen: „Die Zeit geht langsamer, daraus folgt logischerweise auch, dass Uhren langsamer gehen„:
—
Zitat „Phasenverschobener„:
Du willst also ernsthaft behaupten, das Ex falso sequitur quodlibet nicht gilt? Aristotoles rotiert im Grabe. Weißt du was, auf dieser Basis kann ich dir Beweisen, das schwarz = weiß ist. Wenn du Lust hast, kann ichs mal vorführen.
—-
Zitat Lopez:
Ich würde sagen, dass Aristoteles über die „Logik“ der Relativitätstheorie im Grabe rotiert.
Dein Satz „Die Zeit läuft langsamer, deshalb gehen die Uhren langsamer“ enthält nämlich gar keine logische Folgerung und kann deshalb nicht ein Konsens erzeugen. Das ist lediglich eine unentscheidbare Behauptung.
Deine logische Analyse Deines Satzes ist nämlich grob fehlerhaft, wenn Du davon ausgehst, dass der 1. Satz: „Die Zeit läuft langsamer“ auf jeden fall „wahr“ ist. Er ist nicht wahr, er ist unentscheidbar, weil man physikalisch „die Zeit“ nicht messen kann.
Nach demselben Muster wie Deinem Satz „Die Zeit läuft langsamer, deshalb gehen die Uhren langsamer“ könnte man nämlich beliebige unentscheidbare Behauptungen aufstellen, zum Beispiel:
„Gedanken sind schwer, deshalb kriegt man Kopfschmerzen„.
– Der Satz „Gedanken sind schwer“ ist nicht „wahr„, sondern unentscheidbar, weil man Gedanken nicht wiegen kann. Man kann genauso unentscheidbar behaupten: „Gedanken sind leicht„.
– Die Folgerung „deshalb kriegt man Kopfschmerzen“ ist nicht „wahr„, sondern unentscheidbar, weil man keinen Zusammenhang zwischen der Entstehung von Kopfschmerzen und dem Gewicht von Gedanken erstellen kann.
—
Die „Zeit“ ist ein abstrakter Begriff und kein Gegenstand, deshalb kann man sie auch nicht messen. Abstrakte Begriffe und Denkmuster kann man nicht messen. In der Experimentalphysik misst man auch keine „Zeit„, sondern man misst eine „Dauer“ zwischen zwei Ereignissen, deren Anfang und Ende man willkürlich bzw. beliebig festsetzt.
Auf die sprachliche Verwirrung über den Begriff „Zeit“ in der Relativitätstheorie haben zahlreiche Kritiker wiederholt hingewiesen und ich habe z.B. auch in meiner HP in Anlehnung auf eine Arbeit des Kritikers Helmut Hille Messen als Erkenntnisakt den Absatz Die Relativitätstheorie ist surrealistisch geschrieben, falls es Dich interessiert.
Auch G.O. Mueller hat sehr anschauliche Ausführungen in seiner Dokumentation darüber geschrieben, Kapitel 3, Seite 237 – Exkurs: Über „ die Zeit“ – eine Ausnüchterung:
Der Zeitbegriff ist kein Naturgegenstand
Der Zeitbegriff ist nicht vom Himmel gefallen, findet sich auch nicht als Gegenstand in der Natur vor, sondern ist von Menschen gemacht, weshalb es auch unweigerlich verschiedene Zeitbegriffe geben wird. Vom Zeitbegriff hängt ab, was er begreift. Deshalb muß jeder, der Erkenntnisse über die Zeit verkünden will, mindestens seinen dabei verwendeten Zeitbegriff vorzeigen.
Gedächtnis und Dauer
Die historische Entwicklung kann helfen, einen Begriff zu explizieren, ohne ihn endgültig festzulegen. Sicher ist jedenfalls, daß die intuitive Erfassung der Dauer sich von sichtbaren Vorgängen ableitete, Bewegungen, die der Mensch mit den Sinnen wahrnehmen konnte. An den sichtbaren Bewegungen entwickelte sich als erstes der Sinn für die Dauer, den Zeitablauf. Der Zeitablauf kann nur dort erkannt werden, wo die Natur ein Gedächtnis installiert hat. Die vielzitierten Ringe im Baumquerschitt sind, entgegen der beliebten Metapher, noch kein Gedächtnis, sondern können nur als solches interpretiert werden.
Der Vergleich der beobachteten und erinnerten Bewegungen führte zu Feststellungen, dass bestimmte (längere) Bewegungen noch andauern, während bestimmte andere (kürzere) enden. Aus diesem Vergleich von Bewegungen erst konnte, nach der Dauer, der Begriff der Gleichzeitigkeit entstehen.
Wiederkehrende Bewegungen
Die Menschen wurden von Anbeginn durch die Natur reichlich mit wiederkehrenden Bewegungen versorgt, durch die wandelnden Gestirne und den Rhythmus von Tag und Nacht, dann durch die hergestellten Geräte wie drehende Räder und Pendel. Besonders die wiederkehrenden Bewegungen luden zu Vergleichen ein: jede einmalige Bewegung konnte mit den wiederkehrenden Bewegungen verglichen werden. Ergebnis waren Verhältniszahlen: eine Reise dauerte von einem Sonnenaufgang bis zum nächsten oder übernächsten. Die Angabe „2 Tage“ ist eine solche Verhältniszahl: die eine Bewegung (die Reise) steht zur anderen Bewegung (dem Lauf der Sonne) im Verhältnis 1:2. Der Zeitbegriff ist mit der Bildung der Verhältniszahl über zwei Bewegungen voll ausgebildet. Dabei ist es bis heute geblieben. Alle Verfeinerungen durch Apparate haben daran nichts geändert; auch die Schwingungen im Cäsium der Atomuhr sind nur Bewegungen.
Verhältniszahl über zwei Bewegungen
Wer angesichts dieser nüchternen Feststellung von „der Zeit als vierter Dimension“ spricht, redet schlicht Unsinn: die Verhältniszahl über zwei Bewegungen ist nämlich eine dimensionslose Zahl; und sie wird nur durch Beobachtung und Vergleich von Bewegungen in den Dimensionen des Raums gewonnen, ist also die Konstruktion aufgrund eines funktionierenden Gedächtnisses. Wirklich sind nur der Raum und die Bewegungen im Raum: alles andere ist nützliche Konstruktion.
Die Substantivierung der Verhältniszahl
Die Konstruktion einer Verhältniszahl über zwei Bewegungen ist und bleibt eine Abstraktion, die nicht in die Wirklichkeit des Raumes zurücktransportiert werden kann. Die Verhältniszahl ist nirgendwo im Raum anzutreffen.
Die Versuchung dazu ist dennoch groß, weil der Umgang mit Abstraktionen eine gewisse geistige Anstrengung verursacht, und wir zu unserer Entlastung den Sprachgebrauch eingeführt haben, den Wert der Verhältniszahl über zwei Bewegungen als „die Zeit“ zu bezeichnen.
Mit dem Substantiv kommt die Täuschung, wir hätten es mit einer Sache zu tun, von der wir mehr oder weniger große Stücke abtrennen und über sie verfügen können, als eine Sache, die, wie alle Gegenstände, eine Dimension hat.
Wer von einer „Reise in die Zeit“ schwadroniert, kann nur eine „Reise in eine Verhältniszahl über zwei Bewegungen“ meinen: damit entweicht die heiße Luft aus „der Zeit„.
(G.O. Mueller)