Blog – Jocelyne Lopez

Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und Politiker: Neue Gesetze werden versprochen, wenn die bestehenden Gesetze umgegangen werden

Ich verweise auf meinen Eintrag
Verwaltungsgericht Düsseldorf oder wie schnell man das Informationsfreiheitsgesetz aushebeln kann

über das Urteils 26 K 2277/13 des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 07.02.2014, das sowohl den Bürgern die gesetzlich festgesetzte Berechtigung zum Handeln im öffentlichen Interesse grundsätzlich aberkennt, als auch die gesetzlich festgesetzte Gebührenbefreiung in diesen Fällen beseitigt.
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  1. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf spricht einzig einer Behörde das Recht zu, in ihrem  eigenen Ermessen zu beurteilen,  ob ein bestimmtes Anliegen vom öffentlichen Interesse sei oder nicht, die Bürger haben hier nichts zu bestellen:
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    Zitat Verwaltungsgericht Düsseldorf:
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    die Amtshandlung der Informationserteilung selbst müsste für die Behörde im öffentlichen Interesse liegen, d.h. die Behörde müsste selbst ein mindestens ebenso ausgeprägtes Interesse daran haben die Klägerin die Auskunft zu erteilen, wie diese, die Auskunft zu erlangen“. (Zitatende) .

LANUV NRW hat nun mal hier im eigenen Ermessen entschieden, dass das Bestreben der Bürger nach Transparenz über die langjährigen Primatenversuche in der Hirnforschung an der Ruhruniversität Bochum kein Anliegen vom öffentlichen Interesse sei. Praktisch. Das Gericht ist auch dieser Meinung. Auch praktisch.

Kurzer Überblick über den gesellschaftlichen Kontext:

Die Primatenversuche in der Hirnforschung lösen bundesweit seit Jahrzehnten einen ungebrochenen Widerstand in der Bevölkerung und eine heftige gesellschaftliche Debatte aus, was eindeutig in der Öffentlichkeit dokumentiert wird: Demos, Informationsstände, Protestaktionen, Unterschriftensammlungen, wissenschaftliche Studien, Aufklärung der Öffentlichkeit, Umfragen, unzählige Tierschutzvereine, Presseberichte, Petitionen, unzählige Webseiten, Diskussionsforen, Blogs und Facebook-Seiten,  sowie bis zur Einschaltung der Politiker, zu gerichtlichen Auseinandersetzungen und zu Gesetzentwürfen. Sogar die Aufsichtsbehörde des LANUV NRW, das Umweltministerium NRW, hielt nach der Bürgeranfrage der Tierschützer über die Primatenversuche an der Uni Bochum für erforderlich, eine bessere Kontrolle der gesetzlichen Vorgaben bei der Genehmigung dieser Versuche durch einen Gesetzentwurf zu erzielen, und strebt sogar ausdrücklich nach einem Rückzug aus diesen Versuchen für das Land NRW an, siehe Das Land Nordrhein-Westfalen strebt ein absolutes Verbot für Versuche mit Menschenaffen an.

Das alles ist für die Behörde LANUV NRW und für das Verwaltungsgericht Düsseldorf kein Grund, das Anliegen als öffentliches Interesse anzusehen. Praktisch. Wo kämen wir sonst hin?.

Die Bürgeranfrage der Tierschützer an die genehmigende Behörde LANUV NRW erfolgte wegen einem dringenden Verdacht auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei der Genehmigung dieser Versuche. Dieser Verdacht hat sich durch die Antworte der Behörde bestätigt: Es wurden Verstöße gegen drei wesentliche Bestimmungen des TierSchG §§ 7 und 8 durch die Antworten der Behörde nachgewiesen: Strafanzeige wurde erstattet und eine Petition beim Landtag NRW zur Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft eingereicht, siehe hier.

Die Erstattung einer Strafanzeige und die Einreichung einer Petition beim Landtag sind natürlich für die Behörde LANUV NRW und das Verwaltungsgericht Düsseldorf keine Angelegenheiten, die die Öffentlichkeit zu interessieren haben, ist schon klar. Wo kämen wir sonst hin?

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2. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf spricht den Bürgern im Fall eines öffentlichen Interesses die Gebührenbefreiung ab, die im Land NRW mindestens in zwei geltende Gesetze angeordnet wird:  Die Gebührenbefreiung für die Handlung einer Behörde im Fall vom öffentlichen Interesse ist nämlich bereits im Land NRW vom Gesetzgeber verankert worden:

Gebührengesetz NRW (das für das Informationsfreiheitgesetz auch gültig ist):

§ 6  – Ermäßigung und Befreiung:

Aus Gründen der Billigkeit, insbesondere  zur Vermeidung sozialer Härten, kann Gebührenermäßigung und Auslagenermäßigung sowie Gebührenbefreiung und Auslagenbefreiung vorgesehen und zugelassen werden. Dasselbe gilt für Amtshandlungen, die einem von der handelnden Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interesse dienen.
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Verwaltungsgebührensatzung der Stadt Recklinghausen (Sitz des LANUV):

Amtsblatt Nr. 35 vom 04.12.2000 – § 4 – Sachliche Gebührenfreiheit – Absatz 2:

Gebühren werden nicht erhoben für besondere Leistungen, die überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen werden.“

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Die Behörde LANUV NRW und das Verwaltungsgericht Düsseldorf setzten also gleich zwei Riegel gegen das Bestreben der Bürger von Nordrhein-Westfalen nach Transparenz im Falle der Primatenversuche an der Uni Bochum vor – zwei Mal hält besser, ist schon klar: Erst einmal haben die Bürger keinen Anspruch auf die vom Gesetzgeber vorgesehene Gebührenbefreiung in den Fällen vom  öffentlichen Interesse, zweitens ist  ihr Anliegen ohnehin von keinem öffentlichen Interesse. Praktisch.  Wo kämen wir sonst hin?

Wir haben 8 Abgeordneten der 5 Fraktionen im Landtag NRW im abgeordneten-watch um eine Stellungnahme über diesen Sachverhalt gebeten. Bis jetzt haben wir nur drei Antworten erhalten, mit demselben Inhalt. Sie schwimmen mit der Behörde und dem Gericht mit, nach dem Motto: Das ist alles furchtbar bedauerlich, was den Bürgern widerfährt, aber wir versprechen Euch Hand aufs Herz, dass wir neue Gesetze verabschieden werden, um Eure Rechte zu garantieren, versprochen, Hand aufs Herz, wir wünschen Euch alles Gute:

Antwort des Abgeordneten Christian Lindner (FDP)

Antwort des Abgeordneten Matthi Bolte (DIE GRÜNEN)

Antwort des Abgeordneten Arndt Klocke (DIE GRÜNEN)

Anstatt uns neue Gesetze zu versprechen, sollten sie sich als Volksvertreter dafür aktiv einsetzen, dass die bestehenden Gesetze umgesetzt werden.

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© Bild Norbert Fenske – Photografically

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